Hafenfestival: Schiffe und Synkopen
Mehr Menschen für Jazzmusik zu begeistern, damit ist das ambitionierte Elbjazz-Festival vor fünf Jahren angetreten. Allmählich scheint die Rechnung aufzugehen.
HAMBURG taz | Definitionen sind Bibi Tanga egal. „Wenn Jazz alle Musikstile umfasst, die swingen und grooven, dann bin ich ein Jazzmusiker“, sagt der charmante Multiinstrumentalist mit dem sonoren Lachen. Spaß will er mit dem Publikum haben. Und das war beim ersten Elbjazz-Festival der Fall. Deshalb ist der schlaksige Sänger und Bassist aus Paris auch bei der fünften Auflage des zweitägigen Musik-Events, das am Freitag beginnt, wieder dabei.
Tangas Verständnis von „Métissage“, von stilistischer Fusion, ist beim Festival im und am Hamburger Hafen ausdrücklich erwünscht, erzählt dessen Leiterin Tina Heine. 2010 hat sie es gemeinsam mit Nina Sauer und mit Rückendeckung durch die beiden großen Hamburger Konzertveranstalter FKP Scorpio und Karsten Jahnke aus der Taufe gehoben. Mit großem Anspruch: „mehr Menschen für den Jazz zu begeistern“.
Von Beginn an hat das Elbjazz-Festival dabei konsequent auf die besondere Atmosphäre des Hafens gesetzt: Die Hauptbühne steht auch dieses Jahr auf dem Gelände der Werft Blohm & Voss, wo die Arbeiten im Trockendock derweil weitergehen und es ab und an auch mal kräftig rumst. Selbst wenn ein Mann wie Gregory Porter, derzeit der Jazz-Sänger schlechthin, auf der Bühne steht. Auch Porter ist zum zweiten Mal dabei.
Zu kämpfen hat das noch junge Festival aber trotz Förderung durch die Kulturbehörde nach wie vor. „Wir sind noch im Minus“, erzählt Karsten Jahnke, ganz Geschäftsmann. Der Trend aber sei insgesamt ein positiver. Vor allem sei das Publikum offener geworden. Nicht zuletzt, weil beim Elbjazz mit Klischees und Vorurteilen aufgeräumt wird und im Programm alle Facetten des Genres ihren Platz haben: Poeten wie der charismatische Brite Anthony Joseph, der seine Gedichte gemeinsam mit der funkigen Bassistin und Komponistin Meshell Ndegeocello vertont hat, Nir Felder, das Gitarren-Wunderkind aus den USA, oder die Hamburger Free-Jazzer von Piho Hupo.
Deshalb ist Tina Heine zuversichtlich, dass das Elbjazz-Festival dieses Jahr aus den roten Zahlen herauskommt. Auch weil der Hamburger Jazz-Nachwuchs mehr und mehr zu Wort kommt – und das nicht nur auf der Hochschul-Bühne, wo sich er sich traditionell tummelt. „Jazz braucht eben etwas mehr Unterstützung, um in die Ohren der Zuhörer zu kommen“, erzählt die Festivalinitiatorin.
Abbilden, was derzeit passiert, das ist Heines erklärter Anspruch. Und aufzuräumen mit all jenen Vorbehalten, mit denen zeitgenössischer Jazz immer noch zu kämpfen hat: Assoziationen wie „Birkenstocklatschen mit Rollkragen“ werden genauso geweckt wie „elitär, kompliziert und intellektuell abgehoben“. Das habe eine kleine Umfrage im Bekanntenkreis von Heine vor dem Start des Festivals ergeben.
Aber es gibt auch deutliche Hinweise, dass sich das Bild allmählich wandelt. Ein jüngeres Publikum macht sich nicht nur auf dem Festival bemerkbar, sondern auch an den Jazz-Spielorten in der Hansestadt. Dazu zählt auch der Cotton Club, der anders als das große Festival nicht finanziell gefördert wird. „Die Jazzlandschaft ist breiter geworden. Doch parallel nimmt die Zahl der festen Spielstätten ab“, mahnt dessen Eigner Dieter Roloff. Positiv aber sei, so Roloff, dass das große Festival zwischen Blohm & Voss und der Hauptkirche St. Katharinen die Diskussion über den Musikstil mit den vielen Facetten angeschoben habe: Vor zwei Jahren gab rund die Hälfte der Besucher des Festivals an, Lust auf mehr Jazz bekommen zu haben.
Mitverantwortlich dafür sind auch Bands wie Snarky Puppy, das kreative Musikkollektiv aus Brooklyn, denen es gelingt, funkigen Sound mit Latin, Klezmer und vielem mehr spielerisch zu verbinden und damit Schwellen und Vorurteile abzubauen. Dieses Jahr feiert die Band an der Elbe ihr Debüt auf der mit einer gigantischen Plane vor Regen geschützten Hauptbühne bei den „Blohmern“.
So nennt Tina Heine die Werft-Mitarbeiter, die von Jahr zu Jahr enger dran sind an den Bühnen auf dem Werksgelände. Bei den Mitarbeitern hat das Musik-Ereignis zwischen den Kränen und einlaufenden Containerschiffen denn auch etliche Fans gewonnen, die für die Bühnendekoration schon mal eine Schiffsschraube ankarren.