Hafenausbau nicht erforderlich: Gericht versenkt den OTB

Oberverwaltungsgericht Bremen bestätigt vorläufigen Baustopp für den Offshore-Terminal Bremerhaven. Begründung: Er sei „am Markt vorbei geplant“.

Weserdeich bei Bremerhaven.

Schön grün bleibt der Deich am Blexer Bogen wohl auch in Zukunft Foto: dpa

BREMEN taz | „Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, im Ergebnis aber unbegründet“, so trocken lautet der entscheidende Satz im gestern vorgelegten Beschluss des Bremer Oberverwaltungsgerichtes (OVG) zum Baustopp für das Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB). Antragsgegnerin war der Senat, der den vom Verwaltungsgericht verhängten Baustopp aufheben lassen wollte.

Dem Schutz des Schweinswals während der Ramm-Phase sei hinreichend Rechnung getragen, erklärte das Gericht zu einem der umweltpolitischen Einwände, die der BUND vorgetragen hatte. Aber der Bau eines 25 Hektar großen Gewerbegebietes und Hafens in einem FFH-Naturschutzgebiet müsse durch überwiegende Interessen gerechtfertigt werden, und daran mangele es.

Bedarf erheblich überschätzt?

„Es muss ernsthaft in Betracht gezogen werden, dass der Bedarf erheblich überschätzt worden ist“, stellen die Richter klar. Ein derartiger Eingriff in die Natur sei für ein Vorhaben, „das am Markt ‚vorbei‘ geplant wird“, nicht zu rechtfertigen. Nach eingehender Befragung auch der Gutachter ist das Gericht zu dem Schluss gekommen: „Die Bedarfs- und Potenzialprognose, auf die sich der Planfeststellungsbeschluss stützt, ist nach derzeitigem Sachstand nicht tragfähig.“

Zwei Ausreden, die in jüngster Zeit als Rechtfertigung für das Projekt OTB vorgebracht wurden, wischte das Gericht vom Tisch: Eine „Angebotsplanung“ – zu Deutsch: das Prinzip Hoffnung, dass die Firmen schon kommen, wenn der Hafen erst einmal da ist – sei keine Grundlage für eine Güterabwägung. Und auch die Ausrede, man könne ja die Hafenflächen für den allgemeinen Schwergutumschlag nutzen, wenn sie nicht gebraucht werden für die Windräder, ließ das Gericht nicht gelten, weil das „den Kern des planfestgestellten Vorhabens“ berühre.

Nur in einem Punkt bescheinigte das Gericht den Planern, dass es okay war, nicht über ihren Tellerrand hinausgeblickt zu haben: Bei ihrer Suche nach möglichen Standorten konnte die Bremer Behörde an der Stadtgrenze von Bremerhaven halt machen. Der BUND hatte als Kläger gegen die Pläne eingewandt, dass Bedarf durch eine zwölf Kilometer nördlich in Cuxhaven fertiggestellte entsprechende Hafenanlage bereits gedeckt sei.

Erstinstanzlich hatte das Verwaltungsgericht den Baustopp noch damit begründet, für einen derartigen Eingriff in eine Bundeswasserstraße sei nicht das Land, sondern der Bund als Planungsbehörde zuständig. Das sah das OVG anders: Die 25 Hektar große Umschlag- und Montageeinrichtung für Windenergieanlagen sollte im Flachwasserbereich stattfinden, hätte also die Bundeswasserstraße nicht beeinträchtigt.

aus dem Beschluss OVG: 1 B 126/16

„Es muss ernsthaft in Betracht gezogen werden, dass der Bedarf erheblichüberschätzt worden ist“

Entscheidend für das Gericht war die Überprüfung der Wirtschaftlichkeitsprognosen, die sich der Bremer Senat von der Firma Prognos hatte anfertigen und immer wieder nachbessern lassen. Vor Jahren hatte Prognos ausgerechnet, dass sich der Marktanteil Bremerhavens an den zu bauenden Windenergieanlagen in der deutschen Nordsee verdoppeln und in einer Zone von 200 bis 300 Seemeilen vervierfachen müsse, damit sich der OTB rentiert. Wie das gehen soll, sei „erklärungsbedürftig“, heißt es fast spöttisch in dem Gerichtsbeschluss. Denn es gibt neue bundespolitische Ziele und zwei der ursprünglich vier Bremerhavener Firmen sind insolvent.

Neuansiedlungen „nicht erkennbar“

Dass sich andere Hersteller in Bremerhaven ansiedeln könnten, sei „nicht erkennbar“, so das Gericht. Und dann verweisen sie darauf, dass „der derzeitige Marktführer Siemens sich 2016 zu einer Ansiedlung in Cuxhaven entschlossen“ hat. Mit Siemens habe man sowieso nicht gerechnet, hatte der Senat damals trotzig erklärt.

Sind die erwarteten Umschlagzahlen nicht realistisch, so das Gericht, sei der Planfeststellungsbeschluss, der sich darauf stützt, „nicht tragfähig“, weil den wirtschaftlichen Belangen „ein Gewicht beigemessen worden ist, das ihnen in Wahrheit nicht zukommt“. Wobei die Richter sich nicht verkneifen konnten anzumerken: „Es drängt sich auf, dass ein verringerter Umschlag auch den veranschlagten Flächenbedarf von 25 Hektar berühren würde.“ Diese Größe war damit begründet worden, dass vom OTB voll montierte Windenergieanlagen verschifft werden sollten – was einen Wettbewerbsvorteil bedeuten könnte.

Inzwischen sei aber in der technischen Diskussion umstritten, ob das überhaupt einen Sinn ergebe. Und für die neuen und mit acht Megawatt deutlich leistungsstärkeren Generatoren, die Siemens in Cuxhaven bauen will, sei eine Vollmontage an Land ausgeschlossen. Wenn aber, so folgerte das Gericht, 25 Hektar gar nicht mehr nötig seien, dann sei eine neue Prüfung von Alternativen in bestehenden Hafen-Arealen erforderlich.

Der Baustopp ist eine Eilentscheidung, also vorläufig. Aber es ist wahrscheinlich, dass seiner Begründung großes Gewicht in einem Hauptsacheverfahren zukommt. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Maike Schaefer sah sich durch den Beschluss bestätigt: „Der OTB ist für uns ausschließlich mit dem Ausbau der Windkraft auf hoher See und mit dem Klimaschutz verknüpft“, versicherte sie. „Wir lassen uns davon nicht entmutigen“, erklärte dagegen der Bremerhavener SPD-Politiker Elias Tsartilidis.

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