Häuser in der Habersaathstraße: Radiatoren statt Fernwärme?
In der Habersaathstraße könnte der Eigentümer nach dem Trinkwasser bald auch die Heizung abdrehen. Noch will das Bezirksamt Mitte nicht einschreiten.
taz | Seit über 48 Stunden haben die Bewohner:innen der Habersaathstraße 42–48 kein Trinkwasser mehr. Es wurde am Montag abgestellt, vermutlich im Auftrag des Hausbesitzers. „Ich weiß jetzt, wo man diese großen Wasserkanister kaufen kann“, sagt Daniel Diekmann der taz, Mieter in der Habersaathstraße. Er habe sich auf diese Situation nicht vorbereiten können und keine Reserven angelegt. Die Tatsache, dass das Bezirksamt immer noch nichts an der verheerenden Situation der Bewohner:innen geändert habe, zeige, wie dysfunktional die Abläufe seien, so Diekmann. Wie lange er noch Wasser schleppen muss, ist weiterhin unklar.
Immerhin die bezirkliche Bauaufsicht war mittlerweile da: Zwei Beamt:innen des Bezirksamt Mitte verteilten am Dienstagmorgen Aushänge in den Hausaufgängen. Darauf steht, dass sich Bewohner:innen per E-Mail an die Bauaufsicht wenden sollen, wenn die Wasser-, Wärme- oder Stromversorgung unterbrochen sein sollte.
Den Hahn zuzudrehen ist der neuste Versuch des Hauseigentümers, auch die letzten Mieter:innen aus den Häusern in der Habersaathstraße zu bekommen. Der Gebäudekomplex ist als Spekulationsobjekt seit Jahren umkämpft. Bereits 2021 besetzen Aktivist:innen gemeinsam mit damals obdachlosen Menschen 30 leerstehende Wohnungen. Der Eigentümer Andreas Pichotta, Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft Arcadia Estates, will die Häuser abreißen und stattdessen Luxuswohnungen bauen. Bisher scheiterten diese Pläne, da neben den Bewohner:innen ohne Mietverträge weiterhin fünf Langzeitmietparteien in den Häusern leben.
Die aktuellen Ereignisse sind nicht die ersten Entmietungsversuche des Eigentümers. In der vergangenen Woche erreichten sie jedoch ein neues Level: Es wurde bekannt, dass zum ersten November die Wärmeversorgung eingestellt werden soll. Am vergangenen Wochenende gab es dann einen illegalen Räumungsversuch durch eine wohl vom Eigentümer beauftragte Sicherheitsfirma. Gegen mehrere von deren Mitarbeitern wird jetzt wegen Nötigung und Sachbeschädigung polizeilich ermittelt.
„Ersatzvornahme“ wäre möglich
Auf taz-Anfrage teilte der Bezirk Mitte mit, der Eigentümer habe beschlossen, die Bewohner:innen mit Mietverträgen nach dem 1. November mit Radiatoren statt Fernwärme zu versorgen. Im Raum stand die Möglichkeit einer „Ersatzvornahme“, falls der Besitzer die Miet-Missstände nicht zeitnah behebt. In einem solchen Fall würde das Bezirksamt dafür sorgen, dass die Versorgung der Bewohner:innen wieder sichergestellt ist.
Aus Sicht des Bezirks ist aber zumindest in Bezug auf die Fernwärme „bisher kein Mangel“ festzustellen. Insofern gebe es auch keine Grundlage für eine Ersatzvornahme. Bezüglich der Trinkwasserversorgung habe man Pichotta aufgefordert nachzuweisen, dass der Mangel behoben wurde.
Bisher ist das nach taz-Informationen jedoch nicht der Fall. Daniel Diekmann fragt sich, wie das eigentlich sein kann. Dass der Bezirk die Ersatzvornahme einleite, könne doch nicht so kompliziert sein. Stattdessen gebe es dieses „Behörden-Ping-Pong“, sagt er der taz.
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