Häufiger Demokratie wagen: Bremen bleibt bei vier Jahren
Bremer*innen haben am Sonntag per Volksentscheid dafür gesorgt, dass ihr Landtag weiterhin alle vier Jahre neu gewählt wird
Aus der Analyse der Ergebnisse auf Stadtteilebene lässt sich kein Muster ablesen, wonach etwa ärmere oder reichere Bremer*innen für oder gegen die fünf Jahre gestimmt hätten. Auch die Parteipräferenz scheint keine Rolle zu spielen. So hatte sich zwar die Linke als einzige Partei im Bremer Wahlkampf zu dem Thema positioniert: Sie wollte die vier Jahre behalten. Und in den Stadtteilen, in denen die Linke jetzt bei der Bundestagswahl besonders gut abgeschnitten hatte, gab es überdurchschnittlich viele Stimmen gegen die Verlängerung. Aber: Letzteres trifft auch für den Stadtteil Seehausen zu, in dem die Linke so wenig Stimmen bekam wie in keinem anderen.
Das könnte darauf hindeuten, dass die Bremer*innen ihre Kreuzchen eher willkürlich verteiltet haben, weil sie von dem Thema keine Ahnung hatten. Denn im Vorfeld des Volksentscheids hatte es in Bremen so gut wie keine öffentliche Debatte darüber gegeben. Die Parteien hatten – abgesehen von der Linken – nicht einmal Plakate aufgehängt. Man wolle die Entscheidung dem Souverän, also dem Bürger und der Bürgerin überlassen, hatten die Grünen und die CDU wenige Tage vor der Wahl der taz gesagt. Und die SPD, die immerhin eine klare Pro-Verlängerung-Position vertritt, fand, dass die Bundestagswahl das wichtigere Thema sei, wie der SPD-Landesgeschäftsführer der taz mitgeteilt hatte.
Mangels öffentlichem Diskurs hatte die Hälfte der Bremer*innen offenbar überhaupt keine Ahnung, dass überhaupt abgestimmt werden sollte, wie eine Umfrage des Weser-Kurier ergeben hatte – und das, obwohl in der Wahlbenachrichtigung gemeinsam mit dem Muster-Stimmzettel auch eine Broschüre mitgeschickt worden war, die die Argumente pro und contra Verlängerung der Legislaturperiode aufgelistet hatte.
Diese handliche Broschüre fehlte dann am Wahltag. Dort fanden die Wähler*innen nur ein eng bedrucktes gelbes Blatt Papier vor, auf dem oben zwei Kreuzchen gemacht werden konnten. „Stimmen Sie dem nachfolgend abgedruckten Gesetzentwurf der Bürgerschaft ‚Verlängerung der Wahlperiode der Bremischen Bürgerschaft‘ zu“ – „Ja“/„Nein“?
Doch wer herausfinden wollte, was dieser Gesetzentwurf beinhaltet und um wie viele Jahre die Wahlperiode verlängert werden soll, der musste sich durchs Kleingegedruckte wurschteln und entdeckte mit Glück die beiden allerletzten Sätze auf der Seite: „Mit einem Kreuz bei ‚Ja‘ wird der Verlängerung der Legislaturperiode um ein Jahr auf fünf Jahre zugestimmt. Ein Kreuz bei ‚Nein‘ führt zur Ablehnung des Gesetzentwurfs und einer Beibehaltung der Wahlperiode über vier Jahre.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag