Hässlicher Wahlkampf: Niedersachsens CDU schnorrt bei AfD
Niedersachsens CDU wirbt mit rassistischer Hetze gegen „Clans“ für die Landtagswahl. Die Plakate sind jenen der Hamburger AfD zum Verwechseln ähnlich.
„Weltoffen. Aber nicht für Banden und Clans!“ ist ein Slogan, der 2020 noch auf den Wahlplakaten der Hamburger AfD im Kampf um Stimmen für die Hamburger Bürgerschaft stand. Heute sind die CDU-Plakate denen zum Verwechseln ähnlich.
Der Koalitionspartner SPD kritisiert die Kampagne der CDU: Kriminalitätsphänomene wie „Drogenhandel, Cybercrime, Sexualisierte Gewalt gegen Kinder oder der Rechtsextremismus“ beeinflussten das Sicherheitsgefühl der Niedersachsen heute viel mehr, meint Ulrich Watermann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.
Tatsächlich könne man nur 0,6 Prozent aller dokumentierten Straftaten in Niedersachsen auf „Clankriminalität“ zurückführen. Deshalb empfinde die SPD Niedersachsen die Fokussierung der CDU auf diese Thematik als „kritisch“.
Altbackenes Thema
Und dann sei die CDU mit dieser Kampagne auch noch weit hinter der Zeit. „Die von der CDU plakatierte Forderung ist mindestens seit 2018 in Niedersachsen bereits Realität“, sagt Ulrich Waterman von der SPD.
Die niedersächsische Landespolizei befasst sich bereits seit mehreren Jahren mit der Bekämpfung sogenannter Clankriminalität. Seit 2018 arbeiten Kommunen, Landkreise und die niedersächsische Polizei dabei eng zusammen. Das geht aus einer Pressemitteilung der niedersächsischen Landespolizei hervor.
Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat dafür 2020 einen polizeilichen „Lagebericht zu Clankriminalität in Niedersachsen“ vorgelegt. Auch gibt es seit 2020 bei der Staatsanwaltschaft in Hildesheim eine „Zentralstelle zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen“.
Zum politischen Schwerpunkt hat die Bekämpfung sogenannter Clankriminalität also SPD-Innenminister Boris Pistorius gemacht – was den moderaten Ton der SPD-Kritik an der Kampagne erklären könnte.
Auch andere parteipolitische Gegner der CDU äußern sich kritisch zu diesem Wahlslogan. „Der Begriff Clankriminalität ist aus politikwissenschaftlicher Perspektive in jedem Fall rassistisch konnotiert“, sagt Michael Lühmann vom Göttinger Institut für Demokratieforschung, der selbst für die Grünen zur Landtagswahl antritt. Er wisse, dass Wahlplakate nie zufällig gewählt werden und immer ein bestimmtes Bild provozieren sollen.
Bewusst gewählt
Auch die Wahl der Farbe von Hintergrund und Schrift seien bewusst gewählt. Es erinnere ihn an die Wahlkampagnen von ÖVP und FPÖ bei der österreichischen Parlamentswahl 2019. Die ÖVP um Sebastian Kurz habe damals ähnliche Farben und Slogans wie die rechtspopulistische FPÖ gewählt und „schließlich rechte Politik gemacht“, sagt Lühmann. Heute sehe er bei der CDU ähnliches Wahlkampfverhalten.
Außerdem glaubt Lühmann, dass Niedersachsen in der kommenden Legislaturperiode vor weitaus größeren Problemen stehe: anhaltende Trockenheit, ständige Waldbrände, allgemeine Wasserknappheit – um nur einige zu nennen.
Auf taz-Nachfrage, ob die CDU Niedersachsen in Betracht gezogen habe, dass dieses Plakat rassistische Vorurteile befeuern könnte, kommt ein klares Statement: „Das Wahlplakat befördert keinerlei rassistische Vorurteile.“
Lühmann sieht das anders. Aus wissenschaftlicher Perspektive habe er den Anspruch, alle Begriffe, die er benutze zu hinterfragen. Dass der Begriff „Clankriminalität“ auch einer besonderen Betrachtung bedarf, stehe für ihn außer Frage.
„Es handelt sich sowohl um rassistische Äußerungen als auch darum, dass Vorurteile befördert werden“, sagt die Rassismusforscherin Lima Sayed von der Uni Hamburg nach einem Blick auf die Wahlkampagne der CDU. Der Begriff greife gleich mehrere Muster von Rassismus auf. Vor allem sei die Kriminalisierung migrantischer Männer einer der Rassismen, die hierzulande weitläufig akzeptiert seien und unhinterfragt blieben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn