Häftlinge fliehen aus Moabit: Ausbruch alter Schule
Aus der JVA Moabit sind am Montag zwei Untersuchungsgefangene entkommen. Der Justizsenator ist von der sportlichen Leistung beeindruckt.
Es ist der erste Ausbruch aus der Haftanstalt Moabit seit 15 Jahren. Ganz die alte Schule, haben zwei Untersuchungshäftlinge in der Nacht zu Montag die Gitterstäbe an den Fenstern durchgesägt und sich an Bettlaken abgeseilt. Sie überwanden Zäune aus Nato-Stacheldraht, erklommen eine vier Meter hohe Mauer und gelangten schließlich vom Dach eines Verwaltungsgebäudes in die Freiheit.
Pech für den Knast, Glück für die Ausbrecher: Als die Alarmanlage losging, reagierten die Bediensteten nicht – weil sie dachten, es handle sich wie üblich um Fehlalarm. Erst zwei Stunden später, um 5.30 Uhr früh, wurde die Flucht der beiden Männer entdeckt.
Seither sucht die Polizei fieberhaft nach den Ausbrechern. Wer die Männer sind, wollten am Montag indes weder Justiz noch die Polizei verraten. Man wolle die Fahndung nicht gefährden, hieß es. Einer der Geflüchteten habe wegen eines Tötungsdelikts in U-Haft gesessen, der andere wegen eines Vermögensdelikts, sagte Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) in Moabit bei einer Ortsbesichtigung.
Identität durchgesickert
Zumindest die Identität des einen Geflüchteten ist im Laufe des Montags aus gut unterrichteten Kreisen dennoch durchgesickert: Es handelt sich um einen der Tatverdächtigen im Fall des Raubmordes an dem 59-jährigen Besitzer der Westberliner Diskothek „First Club Berlin“, Jochen Stecker. Stecker war Anfang März in seiner Wohnung in Wilmersdorf tot von seiner Putzfrau in der Badewanne gefunden worden. Mehrere Stiche in den Oberkörper waren die Todesursache. Den „First Club Berlin“ in der Lietzenburger Straße hatte Stecker 30 Jahre lang geleitet. Ende März wurden ein 28 und ein 33 Jahre alter Tatverdächtiger festgenommen. Einer der beiden ist nun offenbar geflohen.
Die beiden Untersuchungshäftlinge hatten im ersten Stock der Teilanstalt 1 drei Zellen voneinander entfernt gewohnt, sagte Justizsprecherin Lisa Jani. Die Gitterstäbe seien noch aus altem Stahl, was in Moabit nicht mehr überall der Fall sei. Die Stäbe seien in beiden Zellen an der gleichen Stelle durchsägt worden, in den Zellen seien keine Werkzeuge zurückgelassen worden.
Hinausgezwängt hätten sich die Häftlinge durch ganz kleine Löcher. Die vier Meter hohe Mauer, die sie erklommen, hatte laut Jani keinerlei Vorsprünge oder Absätze. Erst nachdem die beiden Männer den zweiten Zaun aus Nato-Stacheldraht überwunden hatten, schlug um 2.50 Uhr der Alarm an. Ein Sprung vom Dach des Verwaltungsgebäudes drei Meter hinunter auf die Straße bildete bei der Flucht das Finale.
„Es muss sich um einen sehr klugen Plan und um sehr sportliche und begabte Täter handeln“, sagte der Justizsenator am Montag beeindruckt. Eine Untersuchungskommission soll nun klären, was alles schiefgelaufen ist: womit die Gitterstäbe durchgesägt wurden, ob es Hilfe von außen gegeben hat, warum der Alarm ignoriert wurde. Erste Ermittlungen hätten ergeben, dass es in der JVA Moabit ganz oft Fehlalarm gebe, sagte Jani.
Heilmann sprach von einer Verkettung unglücklicher Umstände, von Zufällen sowie menschlichem und technischem Versagen. Erst die an den Gitterstäben flatternden Bettlaken waren es schließlich, die den Bediensten ein Licht aufgehen ließen.
Leser*innenkommentare
TheObserver
Wäre der Alarm ein Feueralarm gewesen, den die Bediensteten mal eben als Fehlalarm tituliert hätten, dann wäre die JVA Moabit jetzt ein Aschehäufchen...so gesehen haben alle nochmal Glück gehabt.