„Hacksaw Ridge“ im Kino: Mit Gott im Gemetzel
Die wahre Geschichte des US-Kriegsdienstverweigerers und Soldaten Desmond Doss: Davon erzählt Mel Gibson in „Hacksaw Ridge“.
Es hört sich zunächst wie ein Widerspruch an: „Hacksaw Ridge“ ist sicher einer der „härtesten“ Kriegsfilme der letzten Jahre. Aber er handelt von einem Kriegsdienstverweigerer, einem Mann, der Gewalt ablehnte und keine Waffe tragen wollte, weil ihm das Gebot „Du sollst nicht töten“ heilig war.
Doch wenn etwas klar wird am Ende von „Hacksaw Ridge“, dann das: Für Mel Gibson ist das kein Widerspruch, im Gegenteil, bei ihm verstärkt das Blutige, Dreckige, Grausame der Schlacht erst noch die Nobilität seiner Hauptperson. Und tatsächlich ist man als Zuschauer am Ende des Films so mitgenommen vom Gemetzel, dass man sich wie willenlos der Glorifizierung des Helden als jesus-ähnlicher Märtyrer fügt.
Den Kriegsverweigerer auf dem Schlachtfeld gab es wirklich: Desmond Doss, im Film von Andrew Garfield verkörpert, war ein amerikanischer Soldat im Zweiten Weltkrieg, der als Mitglied der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten den Dienst mit der Waffe verweigerte. Er wollte aber trotzdem seinem Land dienen und meldete sich nach Pearl Harbour freiwillig zur US-Armee. Dort konnte man verständlicherweise zunächst wenig mit ihm anfangen.
Doss setzte schließlich durch, dass er als Sanitäter ohne Waffe seine Einheit in den Kampf begleiten durfte. In der legendären Schlacht um Okinawa, einer der blutigsten der Geschichte, trug Doss dann in einer Nacht ganz allein mehr als 75 Verletzte vom Feld.
„Hacksaw Ridge“. Regie: Mel Gibson. Mit Andrew Garfield, Vince Vaughn u. a. USA/Australien 2016, 140 Min.
Mel Gibson erzählt Doss’ Lebensgeschichte mit simplizistischer Geradlinigkeit. Im ersten Teil geht es um die ärmliche Kindheit des Helden im ländlichen Virginia zur Zeit der Großen Depression. In der von einem alkoholsüchtigen Vater geprägten Umgebung erschlägt der kleine Desmond einmal fast seinen jüngeren Bruder mit einem Ziegelstein. Das Erlebnis lässt ihn zum Pazifisten werden.
Die Schlacht um Okinawa
Im zweiten Teil inszeniert Gibson Doss’ Ausbildung in der Armee als erste schwere Prüfung: Sein Ansinnen, Soldat zu sein ohne Waffe, stößt auf Hohn, Verachtung und gewaltsame Ablehnung sowohl bei seinen Kameraden als auch bei seinen Vorgesetzten. Der da bereits schwer malträtierte Held kann sich dann ausgerechnet mithilfe seines Vaters doch noch durchsetzen – und wird prompt in den Pazifik geschickt.
Empfohlener externer Inhalt
Trailer von "Hacksaw Ridge"
Diese sehr bieder erzählte Vorgeschichte vergisst man als Zuschauer augenblicklich, sobald die erwähnte Schlacht um Okinawa beginnt. Im Kriegsgetümmel findet Gibson zu seinem Element: der Schrecken, der Schlamm, die Explosionen, die Toten, die Orientierungslosigkeit und die Brutalität – das alles setzt Gibson mit einer unheimlichen Souveränität in Szene. Den Soldaten mögen auf dem Feld die Sinne vergehen im Chaos des Gemetzels, Gibsons Regie verliert den Überblick nicht.
Das führt dazu, dass sich der Zuschauer wie hineingezwungen fühlt in das Geschehen. Und Desmond Doss erscheint als Erlöser, wenn er in seiner nächtlichen Rettungsaktion mit wahrlich übermenschlicher Kraft, dabei seinen Gott um „noch einen, noch einen“ bittend, Mann für Mann aus dem Dreck zieht. Dass Gibson ihn in einigen Einstellungen in Jesus-Posen fotografiert, ist da fast ein Tick zu viel. Aber wie gesagt, so richtig wehren kann man sich an dieser Stelle des Films sowieso nicht mehr.
„Hacksaw Ridge“ ist Gibsons erste Regiearbeit seit zehn Jahren. Seinem „Apocalypto“ von 2006 waren mehrere Image-Debakel wegen antisemitischer und anderer Ausfälle gefolgt, die nur zu gut zu seinem Ruf als Mann mit Vorliebe fürs Gewalttätige passten. Mehrere Golden Globe- und Oscar-Nominierungen deuten nun darauf hin, dass Gibson mit „Hacksaw Ridge“ die Überwindung eines Widerspruchs gelingt: ein blutiger Kriegsfilm verhilft ihm zur Image-Reparatur.
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