Hackerangriff auf Bundestag: Dein Netz? Mein Netz? Kein Netz
Der Angriff auf den Bundestag könnte noch lange andauern. Grund ist auch ein alter Streit über Zuständigkeiten.
BERLIN taz | „Wer sich eine Extrawurst spendiert“, so dürfen die Computerspezialisten beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in diesen Tagen mit Blick auf den Bundestag spotten, „muss sie auch braten können.“ Die Behörde mit Sitz in Bonn ist, eigentlich, dafür zuständig, digitale Bedrohungen abzuhalten, wenn es um die Sicherheit deutscher Ämter oder Ministerien geht. Eigentlich. An einem Ort aber sollte das BSI bislang wenig zu melden haben: im Deutschen Bundestag. Tja.
Seit Wochen wird das bundestagseigene Netzwerk digital attackiert. Auch Rechner aus dem Bundestagsbüro von Kanzlerin Merkel sollen betroffen sein. Netzwerktechnikern ist es noch immer nicht gelungen, den Angriff, hinter dem Sicherheitsbehörden einen ausländischen Nachrichtendienst vermuten, abzustellen. Dass dies zeitnah gelingt, scheint aussichtslos: Unter den Fraktionen und den beteiligten Behörden ist ein Streit darüber entbrannt, wer überhaupt an den Aufräumarbeiten beteiligt werden kann.
Zahlreiche Politiker wehren sich gegen das Angebot des für Spionageabwehr zuständigen Bundesamtes für Verfassungsschutz, bei der Abwehr des Angriffs auszuhelfen. Sie fürchten, dass die Verfassungsschützer für eigene Zwecke Daten abgreifen könnten. Das Misstrauen ist auch angesichts der unaufgeklärten BND-Affäre groß.
Doch auch unter den technisch zuständigen Abteilungen steht ein alter Streit über Zuständigkeiten einer effektiven Abwehr des Hackerangriffes im Weg. Das BSI, das Ministerien und Behörden mit einem eigenen Regierungsnetz (IVBB: Informationsverbund Berlin-Bonn) versorgt, darf in diesen Tagen auf die Sicherheit seines Netzes verweisen.
Weil der Bundestag in der Vergangenheit jedoch stets auf seine verfassungsmäßige Eigenständigkeit pochte, richtete sich das Parlament auch ein eigenes IT-Netz ein ("Parlakom“), für das das BSI keine Zuständigkeit hat. Das Parlament wollte autark sein, offenbar fehlt jedoch die Kapazität, dieses Netz zu schützen.
Inzwischen ist das BSI zwar zur Hilfe geeilt, doch ein kompletter Austausch des Netzwerks, heißt es im Bundestag, könne ein Jahr, vielleicht gar zwei Jahre dauern. Für das Parlament ist das ein Fiasko – allerdings ein selbst gemachtes.
Leser*innenkommentare
Arne Babenhauserheide
Das heißt, das Parlament braucht bessere Leute in der IT. Die Eigenständigkeit des Parlamentes gegenüber Organen, die der Regierung weisungsgebunden sind, ist ein hohes Gut. Die Bewahrung dieses Gutes muss allerdings auch finanziert werden - wie bei jedem anderen Gut auch.
Rainer B.
Hohn und Häme ist hier völlig unangebracht. Man darf davon ausgehen, dass es in ganz Deutschland wohl keinen Rechner gibt, der nicht schon Ziel eines systematischen Hackerangriffs war. Erst kürzlich fiel mir zufällig auf, dass eine Datei, die gewöhnlich zum Speichern von Bookmarks verwendet wird, ausschließlich asiatische Schriftzeichen enthielt. Die meisten Virenscanner können damit gar nichts anfangen und überspringen solche Dateien, andere hängen sich daran stundenlang auf. Der Inhalt mag ansich ja harmlos sein, aber ein gutes Gefühl hinterlässt das alles nicht.
Hans
Da können doch die in der Regel überrarrrbeiteten (Ausnahmen bestätigen die Regel) Bundestagsabgeordneten eine schöne lange Sommerpause machen, am besten wenigstens bis zum nächsten Winter, sofern die Kimaerwärmung das zulässt. Vielleicht kann ja auch der russische Geheimdienst helfen, aber, ach nein, da muss ja erst an einer Reparation der bilateralen Beziehungen gearbeitet werden.