Habecks Vorstoß beim Lieferkettengesetz: Falsche Verhandlungsmasse
Mit einer vagen Formulierung bringt der Wirtschaftsminister eine „Pause“ des Lieferkettengesetzes ins Spiel. Machen die Grünen damit ein Angebot an die FDP?
R obert Habeck spricht über das Lieferkettengesetz, für das er jetzt plötzlich eine „Pause“ einlegen will. Doch möglicherweise geht es um etwas anderes: den Bundeshaushalt und ein Paket gegen die Stagnation der Wirtschaft. Der grüne Bundeswirtschaftsminister äußert sich gewollt unpräzise, um Spielraum in den Verhandlungen mit seinen Regierungspartnern SPD und FDP zu gewinnen.
Zur Erinnerung: Zehn Jahre hat es gedauert, bis in Deutschland und Europa jetzt halbwegs wirksame Regelungen zum Schutz der Menschenrechte von Beschäftigten in den weltweiten Zulieferfabriken existieren. Ein urgrünes Projekt. Und nun stellt der grüne Spitzenpolitiker das deutsche Lieferkettengesetz zur Disposition?
Mit dem Versuch, in den letzten Tagen vor der Europawahl noch ein paar Stimmen zu gewinnen, lässt sich das nicht erklären. Die Lieferketten sind wichtig, aber doch eher ein Spezialistenthema ohne wahlentscheidende Wirkung.
Schon wieder ein Angebot an die FDP?
Vielleicht ging es dem Wirtschaftsminister darum, das angespannte Verhältnis zu manchen Wirtschaftsverbänden aufzulockern. Eventuell will er aber auch der FDP ein Kompromissangebot unterbreiten. Schließlich stecken die drei Parteien in äußerst schwierigen Verhandlungen über ihr Haushaltsbudget für 2025. Der liberale Finanzminister Christian Lindner hat gerade eine umfangreiche Steuerentlastung gefordert, die nicht im Sinne von SPD und Grünen ist. Da kann es helfen, etwas anzubieten.
Wobei es für das Lieferkettengesetz nichts Gutes bedeutet, wenn es jetzt zur Verhandlungsmasse wird. Erlässt man den Unternehmen zum Beispiel ihre Berichte darüber, wie sie das Gesetz erfüllen, fiele es dem Bundesamt für Wirtschaft schwerer, die Firmen zu kontrollieren.
Und würden die hiesigen Vorschriften ausgesetzt, bis die europäische Lieferkettenrichtlinie nach und nach in Kraft tritt, handelte es sich nicht um eine zweijährige Pause, sondern tatsächlich um eine sechs- bis siebenjährige Verzögerung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos