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Haasenburg-SkandalHeim muss Kinder gehen lassen

Ein Anwalt erstreitet die Freilassung eines Jungen aus dem Heim. Doch Brandenburgs Bildungsministerium verhandelt mit dem Träger über Neubelegungen.

Die Stadt München sucht für vier Kinder eine andere Schlafstatt Bild: photocase /sally2001

BERLIN taz | Auch der zweite Junge, der Anfang Juli aus einem Heim der Haasenburg GmbH geflüchtet und wieder dorthin zurückgebracht wurde, darf das Heim nach Aussage seines Anwalts bald verlassen.

„Das Jugendamt hat eingesehen, dass dieses Heim für den Jungen kontraproduktiv ist“, sagt Rudolf von Bracken. Das sei das Ergebnis eines Gerichtstermins vom Donnerstag.

Die Haasenburg GmbH hat drei Heime in Brandenburg für Kinder und Jugendliche, die in der Regel aufgrund eines Urteil eines Familiengerichts dort eingewiesen werden. Der Junge war in der Nacht zum 3. Juli mit zwei anderen Insassen durch ein Klofenster aus dem Heim geflohen und in Hamburg gelandet. Dort hatte er vor der Presse berichtet, wie er auf schmerzhafte Weise begrenzt wurde.

Zum Eklat kam es, als die Hamburger Sozialbehörde den Flüchtling postwendend in das Heim zurückschickte und erklärte, er habe seine Vorwürfe nicht bestätigt. Das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf hat den 17-Jährigen nun angehört. Laut Anwalt von Bracken hat er dort seine Vorwürfe wiederholt.

„Sein Amtspfleger hat eingesehen, dass das Haasenburg-Heim nicht mehr die richtige Maßnahme für den Jungen ist.“ Man suche eine offene Jugendeinrichtung in Hamburg, so die Sozialbehörde. Noch sei aber kein Platz gefunden.

Der Junge musste wieder in das Heim nach Brandenburg. Er soll dort bis November bleiben. Laut Behörde muss er seine Maßnahme beenden. Von Bracken nennt das Irreführung: „Vormund und Jugendamt haben die alleinige Verantwortung. Sie haben vor Gericht zu Protokoll gegeben, dass die Maßnahme sobald wie möglich beendet wird, und es sich nur um Tage oder Wochen, nicht um Monate handelt.“

Es gibt kein Grund zum Schließen

Wie es mit der privaten Heimfirma weitergeht, ist unklar. Jugendämter holen die Kinder offenbar sukzessive aus den Heimen. So wurde bekannt, dass die Stadt München bis Ende September noch vier Kinder abziehen will. Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) hatte Anfang Juli auch einen Neubelegungsstopp verhängt.

Allerdings berichtet die Lausitzer Rundschau, es gebe Verhandlungen zwischen dem Brandenburger Bildungsministerium und dem Betreiber über eine baldige Aufhebung des Neuaufnahmestopps. Der sei ohnehin bis zum 31. August befristet.

Noch vor einer Woche hieß es im Anschluss an die Kabinettssitzung in Potsdam, der Neuaufnahmestopp werde wohl verlängert. Ministeriumssprecher Stephan Breiding bestätigte der taz nun aber die Verhandlungen.

Ob der Belegungsstopp tatsächlich aufgehoben werde, konnte Breiding nicht einschätzen. Eine Schließung der Einrichtung sei trotz staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen von den befragten Juristen ausgeschlossen worden. Es gebe „nicht einmal ansatzweise einen Grund zu schließen“.

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14 Kommentare

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  • P
    Pfff

    So viel zum Thema: "Wir leben in einem Rechtsstaat."

     

    Ein einziger Unrechtsstaat ist das, verseucht und widerlich.

     

    Und die merkbefreiten Wähler der Merkel (Vorsitzende der BUNT-Partei, Kapitalistische Einheitspartei von CDU/CSU, SPD, GRÜNEN und FDP) sorgen dafür, dass das immer brav so schön weiter läuft. Pfui!

  • Kurz gesagt: Alle, wirklich alle Vertreter der schwarzen Pädagogik gehören hinter Schloss und Riegel! Denn der Gesetzgeber hat für diesen Fall ganz klare Vorgaben: Der Tatbestand deckt sich in juristisch einwandfreier Weise mit dem Delilikt "Kindesmissbrauch!, welches ein Strafmaß von mindestens 6 Monaten zur Folge hat, welches sich natürlich summiert bei den Eigentümern und auch den Verantwortlichen der Haasenburg GmbH. Institutionen wie diese dürfen in einem Rechtstaat einfach nicht existieren!

  • E
    Exerzieher

    Es ist irrelevant, was diese Jugendlichen aus ihrer Not heraus getan haben. Man muss sich doch nur die Biografie dieser Kinder anschauen, um ergründen zu können, warum sie so handeln. Das kann doch nicht die Rechtfertigung sein, dass wir entgegen der Justiz Jugendliche wegsperren. Da wird doch das Rechtssystem ausgehebelt, alle aber die solche Einrichtungen betreiben und sich noch als die Retter aufspielen, profitieren, auf Kosten der Kinder und Jugendlichen. Dann brauchen wir kein Rechtssystem, welches es verbietet, Kinder und Jugendliche wegzusperren. Aufhören, mit dieser Doppelmoral und schon haben solche Betreiber keine Berechtigung mehr! Das alles muss aufhören! Sofort, ohne Diskussion!

  • Macht die Hütte endlich dicht! Die Geschäftemacherei mit den Jugendlichen muss aufhören. Das ganze "Konzept" kann nicht funktionieren, weil es dabei nur um's Abgreifen von Kohle geht und nicht um Pädagogik.

  • N
    Naja

    Das arme Kerlchen... Ich gehe mal davon aus, dass er nicht dorthin geschickt wurde, weil er mal nen Schokoriegel geklaut hat. Desweiteren denke ich, dass keiner von denen, die sich hier so aufregen jemals selbst ein Opfer solcher Jugendlichen war.

    • TR
      Tim Rehren
      @Naja:

      Rechtfertigt das die Methoden der Haasenburg?

       

       

       

      Abgesehen davon sind dort NICHT nur Kinder und Jugendliche wegen kriminellen Verhaltens untergebracht!

  • S
    Sabine

    Das ist ja alles gut und schön, wenn ein Anwalt die "Freilassung" erstritten hat. Wo wird das Kind jetzt wohnen? Warum hat der Anwalt nicht früher gehandelt? Denn wenn es jetzt einen anderen Lebensraum für das Kind gibt, wird es doch vor der Öffentlichkeitskampagne auch möglich gewesen sein, Kinder aus dem Heim zu nehmen?

     

    An dieser ganzen Geschichte ist etwas ungereimt und faul.

  • A
    Aufmerksam

    ... ich bin froh, dass die TAZ über dieses Thema so ausführlich berichtet. Aber sollte nicht bei aller Empörung trotzdem auf fehlerfrei formulierte Überschriften geachtet werden? "Es gibt KEIN Grund zum Schließen" kann doch wohl nicht ernst gemeint sein?

  • L
    lowandorder

    Liebe tazler,

     

    daß ihr das aufgedeckt habt und daß so

     

    etwas möglich ist, auf die Tagesordnung gesetzt habt, und nicht locker laßt:

     

    großen Respekt.

     

     

     

    Über das bedrängte, mißachtete Leben und Schicksal der Kinder hinaus, ist der Heimkomplex ein Spiegel - eine Menetekel - einer entsolidarisierten Gesellschaft, die Milliarden verbrennt, um Faule Banken zu retten, aber wie bei Agenda 2001 &Hartz IV rücksichtslos nach unten tritt und die sozial Schwächeren demütigt, drangsaliert und abkoppelt.

     

    Lenz' Deutschstunde 2.0. Ekelhaft.

  • U
    Unglaublich

    Wir haben bald Wahlen. Die größten Probleme und Streitpunkte des Landes liest und sieht man nicht. Nicht in den alten Medien. Redet man mit den Leuten dann kommen Eurokrise, Wirtschaftsprobleme Europas, Migrationsprobleme(Asyl, Multikulti, Integration) und die Klassiker Rente, Gesundheit, Steuern. Medial gibts NSA(ohne Briten und Franzosen oder gar Russen und Chinesen) und in der taz Heime(Kinderfickerei der Grünen existiert nur noch im Netz). Ziemlich besorgniserregend wenn Medien und die Menschen so weit auseinanderliegen.

  • M
    Markus.D

    Ich hoffe das, sollte der Belegungsstopp aufgehoben werden, die Jugendämter standhaft bleiben und keine Kinder und Jugendlichem mehr hinschicken!

  • K
    kleene

    Es ist unglaublich, wie man in diesem Land verraten und verkauft wird!Wir dürfen gespannt sein was hinter verschlossenen Türen alles verhandelt wird und viel interessanter .....werden wir jemals lückenlos erfahren, was sich hinter verschlossenen Fenstern in der HB Jessern oder anderswo abspielte? https://fbcdn-sphotos-c-a.akamaihd.net/hphotos-ak-ash4/1016976_535025046562776_1090068136_n.jpg

  • MD
    Markus D.

    Bis heute ist diese Firma was Detailfragen ihres Konzeptes stehts ausgewichen! Wieso ist das möglich? Wieso kann man die Haasenburg nicht dazu zwingen?

  • NZ
    nicht zu glauben

    Es ist nicht zu glauben, dann können die die Kinder weiterhin brechen ?

     

     

     

    Wie kann man den Jungen wieder in dieses Heim stecken vor dem er geflohen ist ?