Haasenburg-Skandal: Heim muss Kinder gehen lassen
Ein Anwalt erstreitet die Freilassung eines Jungen aus dem Heim. Doch Brandenburgs Bildungsministerium verhandelt mit dem Träger über Neubelegungen.
BERLIN taz | Auch der zweite Junge, der Anfang Juli aus einem Heim der Haasenburg GmbH geflüchtet und wieder dorthin zurückgebracht wurde, darf das Heim nach Aussage seines Anwalts bald verlassen.
„Das Jugendamt hat eingesehen, dass dieses Heim für den Jungen kontraproduktiv ist“, sagt Rudolf von Bracken. Das sei das Ergebnis eines Gerichtstermins vom Donnerstag.
Die Haasenburg GmbH hat drei Heime in Brandenburg für Kinder und Jugendliche, die in der Regel aufgrund eines Urteil eines Familiengerichts dort eingewiesen werden. Der Junge war in der Nacht zum 3. Juli mit zwei anderen Insassen durch ein Klofenster aus dem Heim geflohen und in Hamburg gelandet. Dort hatte er vor der Presse berichtet, wie er auf schmerzhafte Weise begrenzt wurde.
Zum Eklat kam es, als die Hamburger Sozialbehörde den Flüchtling postwendend in das Heim zurückschickte und erklärte, er habe seine Vorwürfe nicht bestätigt. Das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf hat den 17-Jährigen nun angehört. Laut Anwalt von Bracken hat er dort seine Vorwürfe wiederholt.
„Sein Amtspfleger hat eingesehen, dass das Haasenburg-Heim nicht mehr die richtige Maßnahme für den Jungen ist.“ Man suche eine offene Jugendeinrichtung in Hamburg, so die Sozialbehörde. Noch sei aber kein Platz gefunden.
Der Junge musste wieder in das Heim nach Brandenburg. Er soll dort bis November bleiben. Laut Behörde muss er seine Maßnahme beenden. Von Bracken nennt das Irreführung: „Vormund und Jugendamt haben die alleinige Verantwortung. Sie haben vor Gericht zu Protokoll gegeben, dass die Maßnahme sobald wie möglich beendet wird, und es sich nur um Tage oder Wochen, nicht um Monate handelt.“
Es gibt kein Grund zum Schließen
Wie es mit der privaten Heimfirma weitergeht, ist unklar. Jugendämter holen die Kinder offenbar sukzessive aus den Heimen. So wurde bekannt, dass die Stadt München bis Ende September noch vier Kinder abziehen will. Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) hatte Anfang Juli auch einen Neubelegungsstopp verhängt.
Allerdings berichtet die Lausitzer Rundschau, es gebe Verhandlungen zwischen dem Brandenburger Bildungsministerium und dem Betreiber über eine baldige Aufhebung des Neuaufnahmestopps. Der sei ohnehin bis zum 31. August befristet.
Noch vor einer Woche hieß es im Anschluss an die Kabinettssitzung in Potsdam, der Neuaufnahmestopp werde wohl verlängert. Ministeriumssprecher Stephan Breiding bestätigte der taz nun aber die Verhandlungen.
Ob der Belegungsstopp tatsächlich aufgehoben werde, konnte Breiding nicht einschätzen. Eine Schließung der Einrichtung sei trotz staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen von den befragten Juristen ausgeschlossen worden. Es gebe „nicht einmal ansatzweise einen Grund zu schließen“.
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