HTML-Erfinder Tim Berners-Lee: Der Geek mit den guten Absichten
Tim Berners-Lee wollte eigentlich nur, dass alle im Kernforschungzentrum CERN aufs Telefonbuch zugreifen können. Das Ergebnis: Die Erfindung von HTML.
Tim Berners-Lee sah seine Chance: Er schlug vor, die Telefondaten im HTML-Format auf einem Server zu speichern und dafür einen „Browser“ zu schreiben, der auf allen Rechnern lief. HTML ist die „Hypertext Markup Language“, in der noch heute so gut wie alle Webseiten im Netz geschrieben werden. Der britische Physiker mit dem Faible fürs Programmieren hatte dem Verwalter des CERN-Telefonbuchs also letztlich ein winziges World Wide Web untergejubelt. Der Rest ist Geschichte.
Sein neues Verfahren, Informationen im Internet zugänglich zu machen, verbreitete sich erst am CERN, dann im übrigen Netz mit atemberaubender Geschwindigkeit. Am CERN nutzte man das Web, um Forschungsergebnisse zu teilen. Aber bald lockte die Technologie auch die ersten Nutzer an, die nichts mit Wissenschaft zu tun hatten: Im Dezember 1990 richtete Tim Berners-Lee den ersten Webserver mit der Adresse info.cern.ch ein. Im Juli 1994 gründete Jeff Bezos Amazon.
Gegen diese kommerzielle Nutzung des Netzes hatte Berners-Lee keine Einwände. Er selbst sorgte zwar dafür, dass seine Erfindung patentfrei blieb und jeder sie umsonst verwenden konnte. Denn es ging ihm vor allem darum, über das Web alles mit allem zu verbinden: Telefonbücher mit Nutzern, Nutzer mit anderen Nutzern, Informationen mit Dingen, Waren mit Kunden. Das ist ihm gelungen.
Quellcode für World Wide Web bei Sotheby’s zu erstehen
Heute ist der 66-Jährige Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an der Universität Oxford und wurde wegen seiner wissenschaftlichen Leistung 2004 zum Sir geadelt. Dabei ist er im Grunde immer der Geek mit den guten Absichten geblieben, den man wirklich gerne verstehen würde, wenn er nur nicht so nuschelte.
Das Londoner Auktionshaus Sotheby’s bietet Tim Berners-Lees Quellcode für das World Wide Web als Non-fungible Token (NFT) jetzt zum Kauf an; der Erlös soll für einen guten Zweck gespendet werden. NFTs sind eine kryptografische Methode, um die Originalität eines digitalen Objekts – das technisch unendlich kopierbar ist – zu bestätigen. In den letzten Monaten haben Künstler NFT-Zertifikate für Millionensummen verkauft.
Berners-Lee verteidigt sich gegen Kritik: „Ich verkaufe ja nicht das Web – niemand wird in Zukunft Geld bezahlen müssen, um Links zu folgen.“ Aber musste er wirklich ins hochspekulative NFT-Geschäft einsteigen? Schließlich hat er doch selbst eine Methode erfunden, jedes digitale Objekt einmalig zu machen: durch seine Internetadresse, die es im ganzen Netz immer nur ein einziges Mal geben kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Mindestlohn feiert 10-jähriges Jubiläum
Deutschland doch nicht untergegangen