piwik no script img

HSV erstmals in der 2. LigaEine neue Liga ist wie ein neues Leben

Baustelle 2. Liga: Zum Saisonauftakt am Freitag Abend trifft ein euphorischer Absteiger auf einen desillusionierten Relegationsverlierer.

Ralf Becker ist seit Juni Sportvorstand beim HSV Foto: dpa

Hamburg taz | Dass es im Online-Ticketshop des Hamburger SV hin und wieder zu Chaos und Serverausfällen kommt, ist nichts Ungewöhnliches. Mit einem derart großen Andrang auf Eintrittskarten für den Saisonauftakt gegen Holstein Kiel am Freitagabend hätte aber vorher niemand ernsthaft rechnen können. Binnen kurzer Zeit waren alle 57.000 verfügbaren Plätze restlos ausverkauft.

Neu ist die Liga, die die Massen anzieht. Erstmals in seiner langen Geschichte startet der HSV nicht in der Bundesliga, sondern eine Etage tiefer. Was zu früheren Zeiten noch als Super-GAU galt, fühlt sich in Wahrheit doch nicht so schlimm an. Zwar kratzt der Abstieg enorm am Image des Klubs, der die bis zuletzt ununterbrochene Zugehörigkeit zur deutschen Eliteklasse des Fußballs fest in seine DNA verankert und mit einer Uhr auf der Nordtribüne des Stadions zur Schau gestellt hat. Auch die Fans müssen ihre Gesänge umdichten: „Immer erste Liga“ war einmal. Allerdings hat sich der Frust über den Abstieg am 12. Mai überraschend schnell in Euphorie verwandelt.

Den größten Anteil daran trägt Cheftrainer Christian Titz. Seit seiner Beförderung von der Regional- in die Bundesliga acht Spieltage vor dem Ende der vergangenen Saison gibt es beim HSV endlich wieder Fußball zu sehen. Titz’ Mannschaft spielt dominanter, dynamischer, zielstrebiger und begeistert sogar die Taktiknerds mit innovativen Ideen. Zum Beispiel beim Spielaufbau über den weit aufgerückten Torhüter Julian Pollersbeck – in dieser Ausprägung derzeit wohl nur bei den Hamburgern zu bestaunen.

Die Fans schöpfen aus den zahlreichen Entwicklungsschritten Hoffnung. Der mit Abstand jüngste Kader der gesamten zweiten Liga, im Schnitt gerade einmal 22,9 Jahre alt, ist eine Verheißung auf bessere Zeiten. Neben vielen bisher unbekannten Gesichtern auf dem Trainingsplatz gehört auch der Shootingstar der letzten Saison weiterhin zum festen Bestandteil der Mannschaft: Trotz eines Angebotes vom Rekordmeister FC Bayern München verlängerte der 18-jährige Stürmer Jann-Fiete Arp, der Hoffnungsträger schlechthin, seinen Vertrag vorzeitig um ein Jahr bis 2020 und bleibt mindestens noch eine weitere Saison. Eine Verlängerung mit Symbolwirkung.

Es wird ein Drahtseilakt

Bei Holstein Kiel hingegen ist die Stimmung vor dem ersten Spiel nicht ganz so euphorisch. Mit Markus Anfang, jetzt Trainer beim 1. FC Köln, und Ralf Becker, seit Juni Sportvorstand beim HSV, haben die „Störche“ ihre beiden Macher an die Konkurrenz verloren. Zudem wiegen die Abgänge von Top-Stürmer Marvin Ducksch, Spielgestalter Dominick Drexler und Abwehrchef Rafael Czichos mehr als schwer. Kiels knappes Budget reicht nicht, um den Kader qualitativ aufzuwerten.

Zum Vergleich: Mit etwa sieben bis acht Millionen Euro geben sie für ihren gesamten Profibereich in etwa so viel aus wie der HSV für seine Topverdiener Pierre-Michel Lasogga, Filip Kostic und Kyriakos Papadopoulos. Die Hamburger investieren mit 30 Millionen mehr als das Dreifache für ihr Projekt Wiederaufstieg – und stehen damit von Beginn an unter gehörigem Druck.

Die Hamburger investieren 30 Millionen Euro in das Projekt Wiederaufstieg

Erstmals seit Jahren übernimmt der HSV ab Spieltag Nummer eins die Rolle des Gejagten und muss seiner Favoritenrolle gerecht werden. Ein Szenario, mit dem die Hamburger im Gegensatz zu den ebenfalls abgestiegenen Kölnern wenig bis gar keine Erfahrung haben. Zumal viele junge Talente sogar kein einziges Pflichtspiel im Profifußball vorweisen können. Einerseits gewinnt der HSV mit seiner Kaderpolitik über die Jahre verloren gegangene Sympathie zurück und demonstriert Bescheidenheit sowie die Umkehr zur Vernunft.

Andererseits sind den Verantwortlichen wegen der finanziellen Schieflage die Hände gebunden. Den Klub belasten Verbindlichkeiten von 100 Millionen Euro und drastische Einbußen. Nur für Neuzugang Khaled Narey von Greuther Fürth (kam für 1,7 Millionen) wurde Ablöse gezahlt, alle weiteren Neuzugänge wie David Bates (Glasgow Rangers) oder Jairo Sampeiro (Las Palmas) wechselten für lau.

Das Abenteuer zweite Liga wird ein Drahtseilakt. Ob die Erwartungen zu erfüllen sind, wird sich schon in Kürze zeigen. Die Rahmenbedingungen vor dem Nordderby gegen Kiel versprechen jedenfalls einen erstklassigen Auftakt in die Zweitklassigkeit. Und ein paar Gefahren: Die Polizei hat die Begegnung wegen der Rivalität beider Fanlager zum Risikospiel erklärt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • In der dritten Liga spielen in dieser Saison zehn ehemalige Bundesligisten. Mit dem HSV wären es dann nächstes Jahr.... Sandhausen wartet, eine neue Liga ist wie eine neues Leben..... Tut mir leid..., da musst du nach diesem Artikel durch:)

  • 3:0 für Kiel, willkommen in der zweiten Liga lieber HSV.

    Der HSV macht da weiter wo er aufgehört hat. Im Abstiegskampf.

    Hauptsache St. Pauli geht mit in die dritte Liga.

    • @Svenja_Hamburg:

      Eins noch. Pauli steigt auf, Bundesliga , HSV, ..... das wären zwei Klassen.....auseinander. Genug der Häme. Meine UNIONER haben auch nur knapp und glücklich gwonnen. Aber GEWONNEN!!!

      • @RPH:

        St. Pauli kann gerne in die dritte und dann weiter in die 4. Liga.

        Diesen Verein braucht niemand.

        Wenn St. Pauli mal ein Tor schießt liegt es daran das der Torwart sich ekelt einen Ball anzufassen der vorher bei St. Pauli war.

        • @Svenja_Hamburg:

          So wird es wohl sein....., und nun zurück zur bild

  • Euphore: 0 Desillusion: 3 - wie man sich als Journalist schön blamieren kann.......

  • Der HSV schafft die Relegation. Die Religationsspiele gewinnt der HSV und steigt nicht ab. - UNVEU-