HIV-Infektionen: Libyen hebt Todesurteile auf
Die Todesurteile gegen die in Libyen inhaftierten bulgarischen Krankenschwestern sind in lebenslange Haft umgewandelt worden. Für Bulgarien ist der Fall noch nicht abgeschlossen.
taz/dpa/afp Einen Tag nach der Umwandlung der Todesurteile gegen fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt in lebenslange Haftstrafen durch den Obersten Richterrat Libyens bemühen sich die bulgarischen Behörden um eine rasche Ausreise der Verurteilten. Wie die Regierung in Sofia mitteilte, wolle man am Mittwoch bei den libyschen Behörden darauf dringen, dass die fünf Frauen und der palästinensische Arzt, der ebenfalls die bulgarische Staatsangehörigkeit besitzt, so schnell wie möglich nach Bulgarien zurückkehren können.
Die sechs Beschuldigten werden seit 1999 in Libien festgehalten. Ihnen wird vorgeworfen, 400 libysche Kinder absichtlich mit dem Aids-Virus angesteckt zu haben. Unabhängige Experten hatten dies zurückgewiesen und die Infektionen der Kinder auf die schlechte Hygiene in dem Kinderkrankenhaus der libyschen Stadt Bengasi zurückgeführt. Dennoch waren die Krankenschwestern und der Arzt 2004 zum Tode verurteilt worden.
Am Dienstagabend wandelte der libysche Richterrat die Urteile in Haftstrafen um, nachdem die Familien der erkrankten Kinder im Gegenzug für hohe Entschädigungszahlungen auf eine Vollstreckung der Todesurteile verzichtet hatten. Die betroffenen Familien erhalten eine Million US-Dollar (728 000 Euro) für jedes an Aids erkrankte Kind. Insgesamt wurden in 458 Fällen Entschädigungszahlungen geleistet, darunter auch an 20 infizierte Mütter, die sich beim Stillen ihrer aidskranken Kinder angesteckt haben sollen.
Auch die EU forderte die rasche Rückkehr der sechs Verurteilten. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Außenkommissarin Benita Ferrero Waldner zeigten sich am Dienstag in Brüssel zwar erleichtert über die Umwandlung der Strafen. "Doch unser Ziel ist eine Lösung, die eine Ausreise der Bulgarinnen und des Palästinensers aus Libyen"erlaube, hieß es in einer Erklärung.
Noch am Abend versicherte der bulgarische Außenminister Iwajlo Kalfin, für Bulgarien werde der Fall erst dann abgeschlossen sein, wenn "unsere Mitbürger in die Heimat zurückkehren".
Der bulgarische Anwalt der Angeklagten, Hari Haralampiew, äußerte sich enttäuscht über den Richterspruch. "Diese Entscheidung stellt mich nicht zufrieden", sagte er dem bulgarischen Staatsrundfunk aus Tripolis. Trotz eines Rechtsabkommens zwischen Bulgarien und Libyen aus dem Jahr 1984 bedeute die Richterentscheidung nicht, dass die Frauen und der Arzt "automatisch nach Bulgarien zurückkehren" werden.
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte das Urteil des Obersten Justizrats als unzureichend. Ai begrüße die Aufhebung der Todesstrafe für die sechs Verurteilten, "aber wir sind enttäuscht, dass sie lebenslänglich in Haft bleiben sollen", sagte der Direktor des ai-Programms für den Nahen Osten und Nord-Afrika, Malcolm Smart, am Dienstag. Seine Organisation werde sich weiter für eine Freilassung der Häftlinge einsetzen. Der Fall mache deutlich, wie dringend das Rechtssystem Libyens reformiert werden müsse.
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