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Projekt für progressive Gegenöffentlichkeit Schafft viele Wohnzimmer!

Das taz FUTURZWEI-Projekt „Wohnzimmer der Gesellschaft“ stellt der öffentlichen Erzählung eines zerrütteten und hysterisierten Landes eine große Mehrheit der Okayen gegenüber.

Zumindest hier findet Deutschland meistens noch zu so etwas wie Konsens: Wohnzimmermöbel-Kauf bei IKEA Bild: picture alliance/dpa/Arne Dedert

taz FUTURZWEI | Die „Wohnzimmer der Gesellschaft“ sind Ausdruck einer Gegenöffentlichkeit, die den medialen und politischen Eindruck korrigiert, die Bundesrepublik sei ein zerstrittenes und gespaltenes Land. „Wir müssen eine Gegenerzählung machen, Geburtsimpuls der taz, übrigens“, sagte der Sozialpsychologe und Herausgeber Harald Welzer bei der Veranstaltung zum Launch der neuen taz FUTURZWEI-Ausgabe „Wohnzimmer der Gesellschaft“ in der taz Kantine, Berlin Friedrichstraße.

Es gebe aber einen zentralen Unterschied zum klassischen Verständnis von „Gegenöffentlichkeit“, nämlich: „Damals war das subkulturelles, linkes Projekt, heute ist es ein Mehrheitsprojekt.“

Das Projekt „Wohnzimmer der Gesellschaft“ stehe gegen die Großerzählung, das Land sei „hysterisiert und eine einzige Bild-Zeitung“, es mache die Leute sichtbar, die mit Grundgesetz und liberaler Demokratie „okay“ seien, die nicht rumpöbelten und total feindlich seien, sondern zivilisiert miteinander lebten. „Und die sind gottseidank in der Mehrheit.“ Im Westen sowieso und deutlich.

Auf dem Cover der neuen taz FUTURZWEI-Ausgabe sieht man die Bibliothek Oodi in Helsinki, in der man eben nicht nur Bücher leihen kann, sondern in der Leute kochen, reparieren, Videos drehen können. Der Ort wird „Wohnzimmer unserer Stadt“ genannt.

„Rumhängen ist erlaubt, ja sogar erwünscht“, heißt es auf einem Schild. Diese Orte fehlen zunehmend, speziell in ländlichen Gebieten. Orte, wo man, wie Welzer sagte,“ jenseits von Konsumzwängen, zwischen Arbeit und Zuhause einfach hingehen kann, ohne Rollenzwang. Diese Orte sind für Demokratie von ganz entscheidender Bedeutung“.

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Unterschiedlichste Menschen im Wohnzimmer

Wichtig ist, dass es keine Räume für Blasen und Gleichgesinnte sind, sondern Orte, an denen sich Leute treffen, die politisch und lebensweltlich unterschiedlich sind.

„Wohnzimmer der Gesellschaft“ können in unterschiedlichster Form Gestalt annehmen, wie die Schauspielerin Melika Foroutan, Schülerinnen des Beethoven-Gymnasiums, Berlin, die Künstlerin Rebecca Raue, der Architekt Van Bo Le-Mentzel, sowie Andreas Kern und Steffen Kottkamp darlegten. Zum Beispiel auch als Chor Cantus Domus, der in der taz Kantine auftrat oder die als zwischen den Kulturen vermittelnde Satirikerin Idil Baydar („Ihr Almans seid passiv-agressiv, wie sind aktiv-agressiv“).

Die neue taz FUTURZWEI

taz FUTURZWEI, das Magazin für Zukunft – Ausgabe N°35: Wohnzimmer der Gesellschaft

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Demokratie braucht Orte des Gemeinsamen, Wohnzimmer der Gesellschaft. Die damit verbundenen positiven Gefühle konstituieren Heimat. Mit jeder geschlossenen Kneipe, leerstehenden Schule, verödenden Ortsmitte geht das Gefühl des Gemeinsamen, geht Heimat verloren. Das ist ein zentraler Zusammenhang mit dem Aufstieg des Rechtspopulismus.

Mit: Aladin El-Mafaalani, Melika Foroutan, Arno Frank, Ruth Fuentes, Maja Göpel, Stephan Grünewald, Wolf Lotter, Luisa Neubauer, Jana Sophia Nolle, Paulina Unfried, Nora Zabel und Harald Welzer.

Der Grünen-Gründer Lukas Beckmann erzählte von seinen Bemühungen, Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, in einem Dorf in Brandenburg, in dem bei der Bundestagswahl 43 Prozent AfD gewählt haben. „Egal, wie hoch der Anteil der AfD-Wähler ist“, sagte Beckmann, „in einem Ort, indem nur ein paar hundert Menschen leben, begegnest Du diesen Menschen täglich und arbeitest in den verschiedenen Vereinen mit ihnen zusammen.“

Das sei kein „Projekt“, sein „Wohnzimmer der Gesellschaft“ sei das Leben und der Alltag. Die Alternative sei, sich zurückzuziehen, mit dem Gestus, da gehöre man doch nicht dazu. „Aber wer nicht dazugehört, hat keinen Anspruch auf Gestaltung. Wenn man etwas machen will, muss man nicht so sein wie andere, aber man muss dazugehören“, sagte Beckmann. Die Zusammenarbeit sei wichtig an einem solchen Ort, „auch über schlimmere Parteigrenzen hinweg“ und das Miteinandersprechen können zentral.

Die neue Ausgabe

Auf der Website wohnzimmer-der-gesellschaft.org werden die Wohnzimmer gesammelt vorgestellt, wer eines betreibt, plant oder kennt, ist aufgerufen, es dort einzutragen. Auch in der neuen Ausgabe von taz FUTURZWEI geht es um die Frage der Wichtigkeit von Wohnzimmern der Gesellschaft und dem damit verbundenen Heimatgefühl, auch gegenüber der liberalen Demokratie.

„Ich habe das Gefühl, dass wir mit unserem neuen Heft auf der Höhe der Zeit sind“, sagte Chefredakteur Peter Unfried. „Gerade, weil wir nicht für die ohnehin Bekehrten predigen, sondern an einem Kern der gemeinsamen Gegenwarts- und Zukunftsfragen sind“. In diesem Heft finden sich Gespräche mit und Texte von Melika Foroutan, Maja Göpel, Luisa Neubauer, Stephan Grünewald, Wolf Lotter, Arno Frank, Aladin El-Mafaalani, Nora Zabel, Harald Welzer und vielen anderen.

🐾 Lesen Sie weiter: Die neue Ausgabe unseres taz-Magazins FUTURZWEI N°35 mit dem Titelthema „Wohnzimmer der Gesellschaft“ gibt es jetzt im taz Shop.