: HEUTE ÜBER MALTA - BITTE ZURÜCKLEHNEN
HEUTEÜBERMALTA
Eine Annäherung an die maltesische Kultur und Gesellschaft — jenseits der Stereotypen von Malteser Falken, Malteser Orden und englischer Kolonie — ermöglicht das sehr empfehlenswerte Buch von Wilfried Großjohann: „Malta“ (VSA-Verlag). Wie die meisten Reiseführer des VSA- Verlags ist auch dieser eine hervorragende Informationsquelle für Reisende, die mehr als nur touristische Sehenswürdigkeiten abklappern wollen. Großjohann skizziert knapp die vielfältigen historischen Einflüsse und kulturellen Strömungen, die den kleinen Inselstaat prägten, und beschäftigt sich ausführlich mit den modernen Entwicklungen in Politik und Gesellschaft: der Entstehung des Zweiparteiensystems, den Sozialismusvorstellungen des charismatischen Ex-Regierungschefs Dom Mintoffs, dem Regierungswechsel von 1987, mit der Außenpolitk des machtlosen Inselstaates. Darüber hinaus untersucht er Bereiche der Alltagskultur — wie Religion, Familie, Wohnen und Jugend —, die dem Kurzurlauber nicht nur wegen der ungewöhnlichen maltesischen Sprache verschlossen bleiben. Konkrete Tips, die bis zum Busfahrplan reichen, gewährleisten, daß sich auch der hilfloseste Tourist im kleinen Malta nicht verirrt. Ein überaus nützlicher und darüber hinaus anspruchsvoller Reisebegleiter.
Ein spannendes und sehr persönliches Buch ist: „Malta - Reisen eines Ahnungslosen in die Streinzeit“ von Joy Markert (Mundo-Verlag). Das Buch hat eigentlich nichts mit einem Reiseführer zu tun. Es ist Reiseliteratur. Joy Markert ist sichtlich fasziniert von der prähistorischen Tempelkultur auf Malta. Dieser leider sehr wenig erforschten Epoche der „fat lady“, wahrscheinlich damals verehrte Göttinnen, versucht er immer wieder assoziativ oder theoretisch näherzukommen. Seine leidenschaftlichen Streifzüge in die Vergangenheit prallen ständig auf die schlichte Gegenwart. „Das Zimmermädchen entdeckte meine Gipsfigur der ,schlafenden Priesterin‘. Sie lächelt. ,Waren Sie im Museum?‘ ,Ja.‘ Sie lächelt schelmisch. ,Mögen Sie dicke Frauen?‘ Das Zimmermädchen ist gertenschlank. Was ärgert mich mehr: daß sie hier nichts von ihrer Frühgeschichte wissen wollen — oder dieses dumme Klischee zwischen uns beiden ...?“
Neben gewagten Konstruktionen, wie dem Vergleich zwischen dem heutigen Marienkult auf Malta und der Anbetung der Göttin, vermittelt Markerts Sichtweise viele originelle und sensible Beobachtungen. Als Ahnungsloser versucht er die Steinzeit zu erforschen und liefert nebenbei ein sehr emotionales Mosaik der Gegenwart. Ein Buch, das sich am besten auf Malta unter einem Marienfoto in der Hotelbar liest.
Nicht nur die prähistorischen Tempelanlagen bleiben im Schatten der Geschichte. Außer um das Christentum, die Johanniter und den heilige Paulus macht man um keine der vielen kulturellen Einflüsse, die Malta prägten, großes Aufsehen. Die maltesische Sprache und die Form der Fischerboote sind bis heute lebendige Relikte der phönizisch-karthagischen Kultur auf Malta. Wer ein Faible für dicke historische Schinken hat und sich diese Epoche des Mittelmeerraums in leicht konsumierbarer Form zugänglich machen will, dem sei der historische Roman von Gisbert Haefs empfohlen: „Hannibal - Der Roman Karthagos“ (Haffmans-Verlag, Zürich). Die Hauptfigur des Romans ist der Händler Antigones, gleichzeitig der Chronist der Geschichte Karthagos. Sein rationaler und modernerer Blick filtert die Geschichte der politischen Machtkämpfe, Schlachten, Intrigen, Lebens- und Liebesgewohnheiten für den Geschmack des mitteleuropäischen Lesers. Für Freunde gut recherchierter historischer Wälzer ein gefundenes Fressen.
Edith Kresta
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