HARTZ-VORSCHLÄGE BELEGEN: DIE REGIERUNG IST HANDLUNGSUNFÄHIG: Wer bietet mehr?
Es herrscht Inflation. Nicht beim Geld, sondern beim Wert der politischen Konzepte. Sieben Wochen vor der Bundestagswahl meint Kanzlerberater Peter Hartz offensichtlich, nur noch mit gigantischen Zahlen Gehör finden zu können. 150 Milliarden Euro glaubt der von Gerhard Schröder als Retter in der Not angeheuerte VW-Manager für Investitionen zugunsten der ostdeutschen Bundesländer mobilisieren zu können. Nicht weniger als eine Million Arbeitslose sollen neue Jobs finden. Wow! Die Union müsste 200 Milliarden Euro bieten und zwei Millionen Jobs, um das zu übertrumpfen. Die Entwertung derartiger Pläne spiegelt die Aldi-mäßige Sprache der Hartz’schen Verkündigung: Einen „neuen Riesenhammer“ – quasi das Wirtschaftswunder im Osten – verspricht uns des Kanzlers Arbeitsmarktprophet.
Ginge es nicht etwas bescheidener? Die Idee an sich macht ja einen pfiffigen Eindruck. Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau soll sich größere Summen bei der Bevölkerung leihen, indem sie ein Wertpapier herausgibt. Sie selbst zahlt dafür Zinsen, der Bund lockt zusätzlich mit Steuervorteilen. Das Geld wird in Kredite und Startkapital für die Wirtschaft investiert – allerdings nur, wenn sich die Betriebe im Gegenzug verpflichten, Erwerbslose einzustellen. Nicht erläutert hat Hartz freilich bislang, aus welchen Mitteln die Anleihe dereinst zurückgezahlt wird – und das ist kein ganz unwichtiger Punkt.
Merkwürdig mutet es außerdem an, dass sich die Bundesregierung ihre Wirtschaftspolitik künftig über den Finanzmarkt finanzieren soll. Hat sie selbst nicht genug Geld, um ihre dringendsten Aufgaben zu erledigen? Nein, denn Schröder und sein Finanzminister Hans Eichel stecken in der Klemme zwischen ihrer Politik der Steuersenkung und dem selbst auferlegten Sparzwang, den sie mit dem Europa-Vertrag von Maastricht rechtfertigen. Beides zusammen geht nicht, wenn die eine Rezession gerade überwunden ist und die nächste schon vor der Tür steht. Das Konzept der Hartz’schen Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes zeitigt deshalb zunächst vor allem eine Wirkung: Es verdeutlicht, dass die Bundesregierung sich selbst fast handlungsunfähig gemacht hat. HANNES KOCH
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen