HANS EICHELS PROBLEM SIND NICHT DIE SINKENDEN EINNAHMEN: Sparen schadet
Die stotternde Konjunktur und mögliche Milliardenausfälle bei den Steuereinnahmen machen der Bundesregierung Sorgen. Kein Wunder, dass manche bei SPD und Grünen nun fordern, die Haushalts- und Finanzpolitik zu überdenken und an die sich verändernde wirtschaftliche Lage anzupassen. Bundesfinanzminister Eichel steht vor der Frage: Soll er einen noch rigideren Sparkurs einschlagen oder soll er neue Schulden machen, um die möglichen Löcher im Haushalt zu schließen? Eins von beiden muss er tun, denn lukrative Unternehmen hat der Bund kaum mehr zu verkaufen.
Dass er in diesem Dilemma steckt, ist Eichels eigene Schuld. Schließlich hat er den Abbau der Neuverschuldung zum finanzpolitischen Staatsziel Nummer eins erklärt. Dass er das Problem überhaupt angegangen hat, mag noch in Ordnung gehen. Dass er es zum Dreh- und Angelpunkt seiner Haushaltspolitik gemacht hat, ist schwer nachzuvollziehen. Schließlich sind Spanien, die Niederlande, Österreich, Schweden, Griechenland, Italien und Belgien höher verschuldet als Deutschland. Unsinnig ist vor allem, dass er den Schuldenabbau zu einer Frage der Gerechtigkeit stilisiert hat, um die damit verbundene Sparpolitik auch in der Öffentlichkeit zu verkaufen. Denn die Frage, ob man nachfolgenden Generationen einen Berg Schulden hinterlassen darf, beinhaltet eine falsche Voraussetzung. Der Schuldendienst spielt sich innerhalb und nicht zwischen Generationen ab, gesamtwirtschaftlich ist er ein Nullsummenspiel: Die Kehrseite staatlicher Verbindlichkeiten sind die Forderungen der Kreditgeber, und beide werden vererbt.
Nun liefert das nachlassende Wirtschaftswachstum eine gute Gelegenheit, sich von dieser unsinnigen Fixierung auf den Schuldenabbau zu lösen. Das schüfe die Möglichkeit, den strengen Sparkurs zu lockern und die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Diese Chance scheint die Bundesregierung jedoch schon willentlich verpasst zu haben. Die von Bundeskanzler Schröder losgetretene Diskussion um die angebliche Faulheit von Arbeitslosen deutet eher auf Pläne für weitere Kürzungen bei Sozialleistungen und Arbeitsmarktpolitik. Und genau das ist ein schwerer Fehler. Denn für den Anstieg der Staatsverschuldung gibt es neben dem Anschluss der DDR eine Hauptursache: die hohe Arbeitslosigkeit. BEATE WILLMS
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