Gysi greift Matschie an: "Der tickt ja nicht mehr richtig"
Gregor Gysi findet scharfe Worte für die überraschende Entscheidung der Thüringer SPD. Deren Landeschef Matschie wirbt unterdessen für das Bündnis mit der CDU. Koalitionsgespräche beginnen am Mittwoch.
BERLIN dpa/taz | Linke-Fraktionschef Gregor Gysi hat die Entscheidung der Thüringer SPD für eine Koalition mit der CDU in Thüringen als Wählertäuschung kritisiert. SPD-Landeschef Christoph Matschie trete für eine schwarz-rote Regierung ein, obwohl er damit nur 20 Prozent des sozialdemokratischen Wahlprogramms umsetzen könne, sagte Gysi am Freitag beim ersten Treffen der neuen Bundestagsfraktion in Berlin. Mit der Linken hätte die SPD 80 Prozent ihrer Ziele verwirklichen können, meinte Gysi. Matschie werde die SPD in Thüringen damit bei der nächsten Wahl nur noch zu einer Zehn-Prozent-Partei machen.
Matschie habe die Chance auf einen Politikwechsel verspielt. Dabei sei die Linke der SPD in Thüringen mit ihrem erklärten Verzicht auf das Amt des Ministerpräsidenten trotz ihres besseren Wahlergebnisses sehr weit entgegengekommen - "für mich einen Tick zu weit". Gysi war gegen das Verzichtsangebot des Linken-Spitzenkandidaten Bodo Ramelow, weil er darin eine unnötige Schwächung der Linken sah.
Matschies Forderung sei anmaßend, die bei der Wahl klar der Linken unterlegene SPD müsse alleine entscheiden, wer in einer rot-rot-grünen Landesregierung Ministerpräsident werde. "Der Matschie tickt ja nicht mehr richtig", sagte Gysi. An einer solchen Wählertäuschung hätte sich die Linke nicht beteiligt. "Die Linke geht jetzt in Thüringen in die Opposition und wird bei der nächsten Wahl nicht geschwächt daraus hervorgehen."
Matschie will unterdessen in seiner Partei für das Bündnis mit der CDU werben. "Wir arbeiten zurzeit an einem Argumentationspapier, das allen Ortsvereinen zugehen soll", sagte er am Freitag in Erfurt. Zudem stehe ein Sondierungsteam bereit, in den Kreisverbänden die Entscheidung für die CDU zu erläutern.
Der Thüringer SPD-Landesverband hatte in der Nacht zum Donnerstag mit 18 zu 6 Stimmen für eine Zusammenarbeit mit der CDU votiert. Die Entscheidung ist in der Partei umstritten. So hatte etwa der SPD-Chef im Unstrut-Hainich-Kreis, Walter Pilger, sich für einen Sonderparteitag ausgesprochen, der über den sofortigen Abbruch der Koalitionsverhandlungen mit der CDU abstimmen sollte.
Am Freitag teilte ein CDU-Sprecher mit, dass die Koalitionsverhandlungen mit der SPD bereits kommenden Mittwoch beginnen. Die designierte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hoffe, dass bis Ende Oktober ein Koalitionsvertrag ausgehandelt ist. Sie wünsche sich, dass bis zum 9. November, dem 20. Jahrestag des Mauerfalls, eine neue Thüringer Regierung im Amt ist.
Voraussichtlich am 30. Oktober sollen dem aktuellen Zeitplan zufolge Parteitage der CDU und der SPD stattfinden, auf denen der Vertrag diskutiert und abgestimmt wird.
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