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Guttenberg auf Blitzbesuch in AfghanistanSelbstverteidigung in Kundus

Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist zu einem Blitzbesuch nach Kundus geflogen. Sein Anliegen: Mit den deutschen Soldaten über Verfahrensfehler beim Luftangriff sprechen.

Überraschungsbesuch in Afghanistan: Verteidigungsminister Guttenberg. Bild: dpa

Da der Untersuchungsausschuss zum Luftangriff in Kundus unvermeidlich scheint, hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) offenbar beschlossen, ihn für eigene Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen - etwa zur Zeitgewinnung.

Zu den jüngsten Enthüllungen etwa, wonach die Bundeswehr-Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) an dem Bombardement beteiligt gewesen sei, will der Minister vorerst nichts sagen. "Ich war damals selbst noch nicht im Amt, ich muss selbst wissen, was dort geschehen ist, und das gehört in den Untersuchungsausschuss", erklärte Guttenberg am Freitag im Fernsehen.

Unmittelbar nach diesem Interview brach der Minister mit fünf Verteidigungsexperten der Bundestagsfraktionen, aber ohne Presse, zu einem Blitzbesuch in Kundus auf. Dieser nur wenige Stunden währende Trip diente vor allem der Rückenstärkung der Soldaten. Laut Ministerium sagte Guttenberg vor Ort, der Untersuchungsausschuss dürfe nicht zur Diskreditierung der Soldaten, sondern müsse zur Optimierung der Rechtssicherheit beitragen. Es habe aus heutiger Sicht Verfahrensfehler gegeben.

Dieser Teil könnte die Soldaten in Kundus sehr interessieren. Da die Einsatzregeln, die "rules of engagement", offiziell geheim sind, ist eine Debatte über Regelverstöße schwer zu führen. Nach verbreiteter Sichtweise hat der Kommandeur des Provincial Reconstruction Team (PRT) Kundus, Oberst Georg Klein, die Einsatzregel 429 angewandt, als er den Luftangriff befahl. Dies ist eine relativ großzügig formulierte Regel, wonach Angriffe auf Menschen erlaubt sind, die den Isaf-Truppen bei deren Aufgabenerfüllung gewaltsamen Widerstand leisten. Inwiefern dies auf die um die Tanklaster versammelte Menschenmenge zutraf, bleibt dabei zweifelhaft.

Im PRT Kundus ist seit dem Kontingentwechsel Anfang Dezember keiner der Soldaten mehr, die Anfang September den Luftangriff auf zwei entführte Tanklaster miterlebt hatten. Guttenbergs Sprecher in Berlin erklärte, Thema der Gespräche mit dem neuen PRT-Kommandeur Kai Rohrschneider sei auch die Frage der Entschädigungen der Opferangehörigen.

Hierzu hatte Guttenberg zuvor in der ARD gesagt: "Es ist für mich ganz klar, dass wir eine Lösung finden müssen. Und zwar nicht eine, die lange Wege in Deutschland geht, die auch nicht nur dazu dient, dass der eine oder andere Anwalt daran berühmt werden könnte." Dies war eine Anspielung auf den Anwalt Karim Popal, der Dutzende Opferfamilien vertritt und dazu mit deutschen Anwälten mit fragwürdiger Motivation kooperiert. Über Höhe und Zahl der Entschädigungen soll das PRT nun offenbar mit den Dorfvorstehern beraten.

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5 Kommentare

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  • A
    arni

    Wenn die Soldaten der Bundeswehr, im Ausland Menschenrechtsverletzungen begehen,

    sind sie nicht in erster Linie schuldig zu sprechen. Vielmehr sind sie zuerst vom Ort des Geschehens abzuziehen und dann zur Rechenschaft zu ziehen. Vor allem aber sind die Verantwortlichen oben zur Rechenschaft zu ziehen.

    Dennoch bleibt natürlich auch für die Täter der Rechtsmoment bestehen, dass das eigene Gewissen nicht leugbar sein darf.

    Soldatentum, das ohne Gewissen und Rechtsbewusstsein handelt, darf keinen rechtsfreien Raum für Unterdrückung und Gewalt gegen Menschen verkörpern.

    Die Gegener dieses Krieges vermuten schon von Anfang an das dies aber der Fall ist, und sie haben nun einmal Recht.

  • E
    Ebs

    Ach wie herrlich, wenn die ganze Angelegenheit nicht eigentlich zum Heulen wäre, könnte man sich tatsächlich über dieses außenpolitische Desaster der Union köstlich amüsieren, denn damit wird aus dem Baron aus Bayern endgültig der neue Lügenbaron! Mit dem einzigen Unterschied, dass Baron Münchhausen nur ein harmloser Aufschneider war, während der Guttenberg scheinbar seinen "Schneiderhahn" schneller verleugnete als der Hahn dreimal ... Na, Sie wissen schon.

  • B
    Boris

    "Dieser Teil könnte die Soldaten in Kundus sehr interessieren. Da die Einsatzregeln, die "rules of engagement", offiziell geheim sind, ist eine Debatte über Regelverstöße schwer zu führen. Nach verbreiteter Sichtweise hat der Kommandeur des Provincial Reconstruction Team (PRT) Kundus, Oberst Georg Klein, die Einsatzregel 429 angewandt, als er den Luftangriff befahl. Dies ist eine relativ großzügig formulierte Regel, wonach Angriffe auf Menschen erlaubt sind, die den Isaf-Truppen bei deren Aufgabenerfüllung gewaltsamen Widerstand leisten. Inwiefern dies auf die um die Tanklaster versammelte Menschenmenge zutraf, bleibt dabei zweifelhaft."

     

    Eine Debatte über Regelverstöße ist schwer zu führen ? In der SZ wird sie noch geführt:

    "Bei der rechtlichen Beurteilung ist zu unterscheiden. Erstens: Darf die Bundeswehr in Afghanistan gezielt töten oder die gezielte Tötung von Gegnern veranlassen, wenn aktuell keine Verteidigungssituation besteht? Zweitens: Wenn Sie das darf, darf sie es dann in Kauf nehmen, dass bei dieser gezielten Tötung des Gegners auch Zivilisten zu Tode kommen - und wenn ja, wie viele?

    Schon die Antwort auf die erste Frage ist klar: Sie darf es nicht, eine solche Aktion ist rechtlich nicht gedeckt. Und wenn schon die gezielte Tötung der echten oder angeblichen Taliban rechtswidrig ist, dann ist die Inkaufnahme ziviler Opfer im Rahmen dieser Aktion doppelt rechtswidrig.(...)

    Die Taschenkarten-Regeln waren in der öffentlichen Diskussion unter der Überschrift zusammengefasst worden, die Soldaten dürften jetzt "schneller schießen", wenn sie selber angegriffen werden. Tötung zur Vorbeugung ist auf der Basis der Taschenkarte nicht möglich. Die Selbstverteidigungsvorschriften würden ansonsten weit ins Vorfeld einer konkreten Gefahr ausgedehnt werden.

    Wenn "zur Selbstverteidigung" jeder Gegner getötet werden darf, der demnächst gefährlich werden könnte, bedeutet das die Enthemmung militärischer Gewalt, die Verabschiedung aus dem Isaf-Mandat und Eintauchen in blankes Kriegsrecht."

    http://www.sueddeutsche.de/politik/69/497375/text/

     

    Warum fällt es Ihnen so schwer die Kriegspropaganda und die Lügen der Verantwortlichen zu entlarven?

    Scheibchenweise erfährt die Öffentlichkeit

    fast täglich von neuen Enthüllungen

    über die Bombardierung von Kunduz.

    Guttenberg wusste von den zivilen Toten

    als er den "Angriff" als militärisch angemessen

    bezeichnete.

  • G
    guapito

    Die Opfer dieses fatalen und brutalen Angriffs kann man nicht entschädigen!

  • S
    sloran

    Die tanklaster waren nicht potenzielle waffen für talibanterroristen, sondern brandbeschleuniger für die natobomben. Die liquidierung von wem auch immer durch luftangriffe ist schon nicht tragbar, aber dass zehn dutzend zivilisten offenbar als akzeptabler kollateralschaden betrachtet werden, entzieht dem auftrag der bundeswehr jede politische legititmation.