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■ QuerspalteGuter alter schwarzer Freitag

Kennen Sie Chemnitz? Falls nicht, haben Sie Glück gehabt: Die Stadt, im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört, wurde anschließend so wieder aufgebaut, daß man sich fragen muß, was die härtere Strafe ist – ein Bombenteppich oder die Architektur nach 1945. Verschärfend kommt hinzu, daß in Chemnitz ein Hardcore-Sächsisch genuschelt wird, gegen das beispielsweise die Leipziger Mundart geradezu charmant wirkt. Und eine Universität hat Chemnitz auch noch, mit einem Mathematiker als Dekan. Eberhard Lanckau heißt der Mann, der ein Menschheitsaufklärer sein möchte.

„Ich sag' jetzt mal was ganz Ketzerisches“, muß sich Lanckau gedacht haben, bevor er sich via dpa an die Öffentlichkeit wandte, um ihr mitzuteilen, daß Freitag, der 13. wissenschaftlich gesehen ein Tag wie jeder andere sei: „Jahrtausendealte Bemühungen von Naturwissenschaftlern, Theologen und Mathematikern brachten einen Kalender hervor, der keinen Wochentag sichtbar bevorzugt.“

Auf den ersten Blick scheint Lanckaus These zu stimmen: Jeder Tag scheint gleich verflucht, weshalb wir auch jeden Tag unterm Tisch sitzend verbringen, damit uns der Himmel nicht auf den Kopf fällt. Am Morgen schon eines jeden Tages trinken wir uns bettschwer und gehen nicht an die Tür, wenn es klingelt, denn draußen steht das banale Böse, Gerhard Schröder, und versucht uns ein Asylrecht ohne Asyl, sein um sich schlagendes Aufstrebertum als Charisma und einen Lego-Kasten als Wochenzeitung anzudrehen, und das eben nicht nur freitags, sondern jeden Tag. Gegen diese Dauerheimsuchung hilft allenfalls noch der Kindertrick, sich eine Decke über den Kopf ziehen und zu singen: „Keiner kann uns sehen, lalala...“

Wenn es aber andererseits traditionell irgendeinen Tag gibt, an dem eine Gegenwelt überhaupt noch eine Chance hat, dann ist es ein Freitag und ein 13.: Jesus wurde an einem Freitag gekreuzigt, beim letzten Abendmahl saßen 13 Mitesser an der Sektierertafel, und die Berliner Mauer wurde an einem 13. gebaut. Na, es geht doch. Tina Lürssen

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