: „Gute Gelegenheit zum Frieden“
■ FIS-Sprecher Abdelkrim Ouldadda über den Waffenstillstand
taz: Hat die Armee des Islamischen Heils (AIS) von der Regierungsseite irgendwelche Zusicherungen erhalten, bevor sie ihren Waffenstillstand ausrief?
Abdelkrim Ouldadda: Der Waffenstillstand ist das Ergebnis ausführlicher Kontakte zwischen der AIS und Armee und Regierung. Was dort ausgehandelt wurde, weiß ich nicht. Und solange es von Regierungsseite keine Reaktion auf den Waffenstillstand gibt, kann man auch kaum weitere Details bekanntgeben. Die FIS- Auslandsleitung sieht allerdings im Waffenstillstand eine gute Gelegenheit, um Algerien zum Frieden zu führen.
Haben AIS und FIS überhaupt noch den Einfluß im islamistischen Lager, der nötig ist, um die Gewalt zu stoppen? Zeigen nicht die Massaker der radikalen Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA), daß ihnen die Lage längst aus den Händen entglitten ist?
Die FIS ist in Algerien weiterhin präsent. Das zeigen die letzten Parlamentswahlen im Juni. Wir riefen zum Boykott auf, und neun Millionen Algerier sind nicht an die Urnen gegangen. Die FIS wünscht den Frieden, wie die große Mehrheit der algerischen Bevölkerung auch. Wir müssen eine Dynamik schaffen, die den Widersachern einer Dialoglösung auf beiden Seiten den Boden entzieht. Ein solcher politischer Prozeß kann sicherlich mit der Unterstützung der gesamten algerischen Bevölkerung rechnen. Die, die eine zerstörerische Politik verfolgen, ob es sich um Mitglieder bewaffneter Gruppen oder der Regierung handelt, werden als Minderheit betrachtet werden.
Die FIS spricht heute viel von Demokratie, von gewählten Institutionen. 1990/91 war die Bewegung aber noch nicht eindeutig demokratisch.
Es stimmt allerdings, daß die FIS gereift ist. Vor allem die Zeit und die Kontakte mit den anderen, nichtreligiösen Oppositionsparteien haben dazu beigetragen.
Gibt es in dieser Hinsicht eine tatsächliche Veränderung, oder handelt es sich bloß um ein Manöver im Exil, um in der westlichen Welt Fuß zu fassen?
Die FIS ist in diesem Punkt ehrlich. Die FIS respektiert die Vereinbarungen, die durch die Unterschrift des Vertrags von Rom zusammen mit den Oppositionsparteien getroffen wurden. Diese Entwicklung ist das Ergebnis der Erfahrungen, die die FIS seit 1992 gemacht hat.
Ist die GIA eine Antwort der radikalen Basis auf die mittlerweile moderaten Züge der FIS?
Die extrem radikale Bewegung existierte in Algerien bereits vor der FIS. Der Extremismus in Algerien ist kein Schatten der FIS. Ich glaube, daß Radikalismus immer dann entsteht, wenn Ausgrenzung mit im Spiel ist. In Algerien ist die Politik der sozialen Ausgrenzung der derzeit Herrschenden der Grund für die radikalen Gruppen. Daraus entstand und nährt sich der Radikalismus. Toleranz und Akzeptanz der Andersdenkenden sind die einzigen Waffen dagegen. Interview: Reiner Wandler
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