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„Günter, wo liegt denn das?“

■ Der Retortenclub vom Sachsenwald dreht auf: Noch ein Sieg, dann haben die Fußballer vom TuS Dassendorf den Aufstieg in die Verbandsliga geschafft

An seinen ehrgeizigen Zielen ließ Peter Martens nie einen Zweifel. Er habe „hohe Ansprüche“, erklärte der Fußball-Trainer, als er vor drei Jahren beim TuS Dassendorf anfing. Damals klafften beim Hamburger Vorortclub am Rande des Sachsenwaldes noch Anspruch und Wirklichkeit auseinander.

Die Dassendorfer spielten in der Kreisliga – gegen den Abstieg. Heute steht der TuS kurz vor dem Aufstieg in die Verbandsliga, Hamburgs höchster Amateurklasse. Der Aufsteiger des Vorjahres rangiert an der Landesliga-Spitze der Hansa-Staffel, noch vor Traditionsvereinen wie dem Eimsbütteler TV (ETV), Barmbek-Uhlenhorst (BU) oder Duvenstedt-Wohldorf (DuWo 08).

Die Saga begann 1994 quasi als Ableger von Bergedorf 85, deren Mäzen das Trainergespann Manfred Lorenz/Peter Martens trotz Siegesserie feuerte und nach Gutsherrn-Art selbst das Ruder übernahm. Sponsoren-Kollege Günter Wunder war wenig begeistert und stieg aus.

In der Nachbarschaft fand er schnell einen neuen Club, der beglückt werden konnte. Einige Tage nach dem Ausstieg bei den Elstern rief Wunder Martens an und fragte, ob er nicht den Kreisligisten Dassendorf nach oben trainieren wolle. „Günter, wo liegt das?“, war Martens anfangs skeptisch und ließ sich schlußendlich doch überreden.

Knapp 3500 Menschen leben in Dassendorf. Rund 150 schauen regelmäßig bei den Punktspielen vorbei. Der 1948 gegründete Verein mit seinen 850 Mitgliedern hat in seiner Geschichte den Geher Walter Block als erfolgreichsten Aktiven vorzuweisen, der dreimal deutscher Senioren-Meister wurde. Stehvermögen war auch bei den Kickern gefragt. „Die Spieler lächelten, als ich ihnen erzählte, was hier passieren wird“, erinnert sich Martens an die Vorstellung der hochfliegenden Pläne.

Nach dem Lächeln kam der Aufbruch. Martens gerät ins Schwärmen, wenn er an die Anfangszeit beim damals achtklassigen Club zurückdenkt: „Die Spieler haben gemerkt, daß sie noch etwas anderes können, als nur Bälle wegzuschlagen.“Daß Martens großen Anteil an Dassendorfs Höhenflug besitzt, wird auch von seinen Kollegen gewürdigt.

Das Erfolgsrezept bestand im Aufkauf von Restposten. Verpflichtet wurden Spieler, die bei anderen Vereinen nicht zum Zuge kamen. Acht Neuzugänge stießen 1994 zum alten Kader, darunter auch Verbandsliga-Spieler. Schillerndste Figur im heutigen Team ist Matthias Rauls, vormals Bergedorf 85 und SC Concordia. Aus Kreisliga-Zeiten sind noch zwei Mann dabei.

In Punktspielen blieben die Dassendorfer zwei Jahre lang ungeschlagen. Wegen der Unterforderung wurden regelmäßig Testspiele gegen höherklassige Teams absolviert – und in der Regel gewonnen. Bei der abgeschlagenen Landesliga-Konkurrenz stößt das Erfolgs-Ensemble nicht gerade auf Gegenliebe. Als der TuS kürzlich bei BU 0:5 verlor, war unter den hämischen Sprechchören vom Spielfeldrand „Geldsäcke“noch das zitierfähigste.

Das Wort „Retortenclub“hören die Dassen-dorfer nicht gerne. „Es ist kein Spieler weggegangen, den ich behalten wollte“, behauptet Trainer Martens und lobt das gute Vereinsklima. „Die Spieler sitzen bis zum Ende im Clubheim und haben Spaß.“Selbst nach einer der seltenen Niederlagen verlieren die Kicker nicht ihre gute Laune. So schmetterten ausgelassene Dassendorfer nach dem 0:1 beim HEBC: „Wir sind nur zusammengekauft, null Kameradschaft hier.“

Es scheint, als habe sich der TuS mit dem Negativ-Image arrangiert, obwohl der Ruf für Coach Martens bisweilen der Realität vorauseilt: „Bei uns möchten viele spielen, aber wenn wir über Geld sprechen, kommen die großen Fragezeichen.“Man versuche eben, „die Dinge finanziell im Rahmen zu halten“, bestätigt Utz Seifert, seit Ende 1994 Vereinsvorsitzender. „Aber in der Verbandsliga wird es eine Frage des Geldes“, betont er, als ob die Spieler bisher nur wegen der Après-Match-Gratis-Mahlzeit aufgelaufen wären.

Gegenüber dem großen Nachbarn Bergedorf 85 sei man aber noch nicht konkurrenzfähig. Über den Etat wird – wie überall – höflich geschwiegen. Ein gutes Siebtel der 200. 000 Mark Vereinsgelder fließt in die erste Fußballmannschaft – den großen Rest pumpt Sponsor Wunder hinein. Außer diesem besitzt das Team keine weiteren zahlungskräftigen Mäzene. „Ob von einem Gönner oder von fünfen abhängig, ist doch egal“, findet Seifert und wird fatalistisch: „Klar, wenn der Sponsor aussteigt, geht es hier unter. Aber wir haben eine schöne Zeit gehabt.“

Beispiele von Mannschaften, die nach dem Höhenflug prompt abgestürzt sind, gibt es genug (siehe Kasten). In der Dassendorfer Nachbarschaft versuchte sich zuletzt der SC Wentorf am schnellen Erfolg. Die Wentorfer schossen bis in die Verbandsliga empor. Jetzt stehen sie wegen finanzieller Schwierigkeiten des Geldgebers bereits als Absteiger in die Bezirksliga fest. Tendenz: weiter fallend. Am Mittwoch verloren sie in einem Nachholspiel gegen Dassendorf mit 1:12.

Von Wentorf lernen, das heißt Diskretion lernen, haben die Dassendorfer begriffen. Wentorf versuchte sich mondän zu geben und fuhr zu Auswärtsspielen im Bus vor. „Das sind Allüren, die man nicht so deutlich machen muß“, meint Seifert. Ansonsten gilt offensive Kontaktpflege. „Wer uns kennengelernt hat, hält uns nicht im entferntesten für arrogant“, sagt Martens.

Kontakte sind wichtig, denn ohne Geld geht im Hamburger Amateurfußball längst nichts mehr. Das wollen auch die neuen Akteure sehen, derer vier Martens sich wünscht, um die Erfolgsstory fortzusetzen. Zwei oberligaerfahrene Routiniers sind bereits verpflichtet. Der Etat soll in der höheren Klasse dennoch gleichbleiben. Die Ergebnisse auch: „Mit Platz vier wären wir nicht zufrieden.“Folke Havekost

TSV Reinbek – TuS Dassendorf: morgen um 15 Uhr (Stormstraße)

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