Grundsteinlegung der Berliner Zentrale: Der Umzug des BND
Wie der Bundesnachrichtendienst auf seiner Berliner Hochsicherheitsbaustelle die Grundsteinlegung für die neue Geheimdienstzentrale zelebriert.
Vielleicht sollte alles genau so laufen. Vielleicht wollte der Bundesnachrichtendienst seinen Gästen nach den hässlichen Schlagzeilen der vergangenen Wochen die Angst nehmen: Seht her, liebe Bürgerinnen und Bürger, so schlimm sind wir gar nicht! Wir können ja nicht mal für unsere eigene Party funktionstüchtige Mikrofone aufstellen. Wer wird sich denn da vor dem Übereifer unserer Beamten fürchten? Vielleicht war alles auch Zufall. Dann dürfte BND-Präsident Ernst Uhrlau die Grundsteinlegung für den Neubau seiner Behördenzentrale schleunigst vergessen wollen.
Zwischen Sandhügeln auf der Großbaustelle in Berlin-Mitte ist ein weißes Partyzelt aufgebaut. Vorne am Pult steht der Kanzleramtsminister Thomas de Maizière, er hat eine weihevolle Rede dabei. "Mit der heutigen Grundsteinlegung kommen wir dem Ziel des Umzugs einen großen Schritt näher", hebt er an. Dann jault das Mikrofon, dass die 400 geladenen Herrschaften vor dem Büfett zusammenzucken. Der Minister blickt betreten. Kaum setzt er fort, lässt es auch die Tonanlage wieder krachen. Es sei "keine einfache Phase" für den BND, versichert de Maizière. Aber spätestens 2012, nach dem Umzug von 4.000 BND-Mitarbeitern in die Hauptstadt, wenn der Dienst erst an die Bundespolitik heranrücke, dann werde alles viel besser laufen - auch die Kommunikation mit dem Kanzleramt und dem Parlament. Der Minister grinst: "Da brauchen wir dann keine schlecht funktionierenden Mikrofone mehr."
Einige Schritte weiter steht der BND-Chef, er hat die Hände hinter dem Rücken zu Fäusten geballt. Dass diese Zeremonie für den Chef des Auslandsgeheimdienstes nicht das blanke Vergnügen würde, war klar. Nach der aufgeflogenen Bespitzelung einer Spiegel-Journalistin konnte man sich fragen, ob Uhrlau überhaupt bis zu der Feierlichkeit durchhalten würde. Selbst die Kanzlerin stellte einige Sicherheitspoller zwischen sich und dem BND-Präsidenten auf, ihr Sprecher erklärte, das Vertrauensverhältnis sei durch den Skandal gestört. So düpiert stand der Geheimdienst selten da.
Seit Monaten schon muss sich Uhrlau mit einer internen Organisationsreform herumschlagen, mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss und mit Bundestagsabgeordneten, die ihre Rechte zur Kontrolle des BND verschärfen wollen. Ganz zu schweigen davon, dass ein guter Teil der BND-Belegschaft partout nicht aus Pullach im hübschen Münchner Umland in die Hauptstadt ziehen will.
Kein Wunder, dass Uhrlau bei der Jubelfeier kleinlaut auftritt. Das Mikrofon braucht er nicht. Der Saal verstummt, kaum steht der Chef am Rednerpult. "Die Vorgänge der vergangenen Wochen lasten schwer auf uns", beteuert er. "Der aktuellen Kritik stellen wir uns. Aus Fehlern werden wir lernen." Er wolle sein Bestes tun, dass das "auch durch mich verloren gegangene Vertrauen in den Dienst wieder hergestellt wird - durch solide Arbeit und vorzeigbare Ergebnisse." Dann wird der angeschlagene Präsident doch ein wenig feierlich. Die Grundsteinlegung sei ein "Meilenstein" auf dem Weg zu einer "neuen Heimat" für einen "modernen, leistungsstarken und zukunftsträchtigen BND".
Noch ist draußen, abgeschirmt von meterhohen Bauzäunen, bewacht von dutzenden Videokameras und Sicherheitsleuten, nur eine gigantische Sandwüste zu bestaunen. In der Mittagssonne haben die ersten Fotografen vor einem Betonklotz Stellung bezogen - dem Grundstein. Es ist kurz vor eins, als der Präsident des Bundesamtes für Bauwesen endlich zur Tat schreitet. Das schnurlose Mikrofon scheppert eifrig weiter, während Florian Mausbach erläutert, was alles in der Kartusche im Fundament eingemauert werden soll - außer den Plänen für den Neubau. Die Münze mit dem Abbild des Heiligen Georg, dem Schutzpatron des BND, purzelt in den Sand. Dann haben die hohen Herren jeweils einen Wunsch frei. Kanzleramtsminister de Maizière sagt feierlich: "Ich wünsche dem BND, dass er die Probleme mit den Mikrofonen nur bei der Grundsteinlegung hat - nicht in der täglichen Arbeit."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen