: Grundschulboykott mit Happy-End
■ 700 Eltern, Lehrer und Schüler versammelten sich gestern morgen auf dem Mariannenplatz für die Instandsetzung der Nürtingen- und E.O.-Plauen-Grundschulen/ Finanzsenator sicherte Gelder zu
Kreuzberg. So erfolgreich können Schulboykotte sein: Bereits wenige Stunden, nachdem Eltern und Schüler der Nürtingen- und E.O.-Plauen- Grundschulen mit einer Kundgebung auf dem Mariannenplatz lautstark auf die desolate Lage der Schulgebäude aufmerksam gemacht hatten, konnte Kreuzbergs Volksbildungsstadtrat Dirk Jordan (AL) Entwarnung geben.
»Durch den berechtigten Protest der Eltern wurden die Mittel für anstehende Baumaßnahmen in den Etat des kommenden Haushaltsjahres wieder aufgenommen«, berichtete er der taz unmittelbar nach seiner Rückkehr aus der Finanzverwaltung am gestrigen Nachmittag. Lediglich über die Höhe der einzelnen Raten müsse noch verhandelt werden. Der Streit um die Gelder für das Instandsetzen der Schulen in der Wrangelstraße ist alt.
Bereits 1984 wurde der Neubau der 100 Jahre alten Gebäude geplant und seither immer wieder verschoben. In diesem Jahr sollten die Sanierungsmaßnahmen endgültig beginnen, als Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) vor vierzehn Tagen die Gelder strich. Die Elternvertretungen mobilisierten binnen weniger Tage Eltern und Schüler und riefen zu einem Schulboykott auf. Etwa 700 Eltern, Schüler und Lehrer versammelten sich gestern um 10 Uhr auf dem Mariannenplatz und machten auf den Zustand ihrer Schulen aufmerksam. Anschließend überreichte eine Delegation in der Finanzverwaltung über 400 Protestbriefe von Eltern und Schülern.
»Die Schule fällt uns bald auseinander«, berichtete Elternsprecherin Sabine Fiedelak. In der Turnhalle drängelten sich zeitweilig bis zu drei Klassen, auf dem viel zu engen Pausenhof trampelten sich über 1.000 Schüler gegenseitig auf die Füße. Fenster schlössen nicht richtig, und auch der zusätzliche Container müsse dringend durch einen Anbau ersetzt werden, forderte die Sprecherin. Auch der türkische Elternverein hatte für die Aktion mobil gemacht; über die Hälfte der Schüler sind türkischer Herkunft. Die Ausführung der zweisprachigen Alphabetisierungskurse werde immer schwieriger, weil es keine Räume gäbe, um die Klassen zu teilen, berichtete Irfan Kizgin vom Elternverein. »Auch die zunehmende Gewalt an den Schulen kommt nicht von ungefähr, wenn es nicht einmal Voraussetzungen gibt, unter denen Kinder vernünftig unterrichtet werden.«
Auf deutsch und türkisch wurden gestern auf dem Mariannenplatz Reden gehalten. Während überwiegend jüngere Schüler anwesend waren, nutzten viele Ältere den Tag für einen Besuch im Schwimmbad. Für sie kommt die Instandsetzung der Schule ohnehin zu spät. Denn selbst wenn 1993 mit den Arbeiten begonnen wird, werden sie bis zur Fertigstellung längst abgegangen sein. jgo
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