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Grundsatzurteil in GelsenkirchenNazis müssen draußen bleiben

Städte dürfen Rechtsextreme von Bürgerdialogen ausschließen. Das hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen beschlossen.

In Zukunft heißt es für Nazis: „Ich muss draußen warten“. Foto: ap

Berlin taz | Städte dürfen Rechtsradikale von öffentlichen Veranstaltungen ausschließen, wenn ein privater Eigentümer der Veranstaltungsräume dies zur Bedingung macht. Das besagt zumindest ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen. Im konkreten Fall hatte der Rechtsextremist Michael Brück gegen ein solches Hausverbot bei einem Bürgerdialog in Dortmund geklagt und ist vor Gericht gescheitert.

Am 18. Juni 2012 wollte Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) mit Bürgern in den Räumen der katholischen St.-Barbara-Gemeinde im Stadtteil Dorstfeld zusammenkommen, um mit ihnen über Rechtsextremismus zu sprechen. Damit hat Dorstfeld ein Problem. Der Arbeiterbezirk im Westen der Dortmunder Innenstadt gilt als Neonazi-Hochburg. Seit Mitte der 2000er haben sich vermehrt Rechtsextreme aus der Szene der „Autonomen Nationalisten“ in dem Stadtteil angesiedelt.

Zu ihnen gehört Michael Brück, eine der Führungsfiguren des 2012 verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“. Er sitzt heute für die Partei „Die Rechte“ im Dortmunder Stadtrat. Er wollte an der Versammlung teilnehmen. Brück hatte allerdings kaum Platz genommen, als ihn der Veranstaltungsleiter und zwei Polizisten schon wieder des Raumes verwiesen. Die Kirchengemeinde hatte es zur Auflage gemacht, dass keine Rechtsextremen an der Veranstaltung teilnehmen.

Brück wollte das nicht auf sich sitzen lassen, verwies auf sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit und Gleichbehandlung und rief seine Kameraden zu einer spontanen Protestkundgebung vor dem Versammlungsraum zusammen. Anschließend klagte er – allerdings ohne Erfolg.

Wie ein Gerichtssprecher der taz mitteilte, habe es sich um eine Veranstaltung in privaten Räumen gehandelt. Damit sei die Stadt Dortmund an die Auflagen des Eigentümers gebunden. Das Hausverbot war also rechtens.

Anwalt Johannes Eisenberg, der die Stadt Dortmund in dem Fall vertrat, sieht in dem Urteil eine Möglichkeit für andere Kommunen und Gruppen, Rechtsextreme über den Umweg privater Vermieter von ihren Versammlungen fernzuhalten – solange sie damit nicht gezielt Grundrechte umgehen wollen.

Ob Brück gegen das Urteil vorgehen will, ist nicht bekannt. Seine Anwältin hat ein Gespräch mit der taz abgelehnt.

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6 Kommentare

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  • edit zum meinem Kommentar: ich hätte liebe "Typen" statt "Idioten" sagen sollen.

  • ich hege keinerlei Sympathien für Träger rechtsideologischen Gedankenguts. Diese Entscheidung allerdings verstößt spontan gegen mein Rechtsgefühl. Wie kann ein demokratisch gewählter Repräsentant einer Partei von einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung ausgeschlossen werden? Zumal erscheint die Auflage, "keine Rechtsextremen" zuzulassen, doch recht schwammig (und beliebig erweiterbar).

     

    Wie gesagt, es geht mir hier nicht um diesen konkreten Idioten (den ich nicht kenne). Ich habe nur ein Problem mit Verfahren, die nach meinem Gefühl gegen die Rechtsordnung verstoßen.

    • @Jan Jansen:

      Die Veranstaltung fand 2012 statt, der Rechtsextremist Brück rückte erst im Frühjahr 2015 in den Dortmunder Stadtrat nach. Auch die Liste "Die Rechte" für die er 2013 kandidierte wurde erst drei Monate nach dem Bürgerdialog gegründet. Brück war somit lediglich als "Privatmann" und "einfacher Bürger" vom Ausschluss betroffen, nicht als demokratisch gewählter Repräsentant. Allerdings gehörte er zu diesem Zeitpunkt bereits zum Führungskader des NWDO ("Nationaler Widerstand Dortmund", eine offen verfassungsfeindliche und gewaltbereite Organisation neonationalsozialistischer Ausrichtung, welche im August 2012 vom NRW-Innenminister Ralf Jäger verboten wurde).

       

      Die Kirche muss solchen Menschen keinen Raum zur Selbstdarstellung bieten. Und sie tut gut daran, dies nicht zu tun.

    • @Jan Jansen:

      In der Tat scheint mir, der Aufschrei waere gross gewesen, wenn ein CSU-AfD-Stadtrat in Bayern einen bekannten Antifa-ler von einem oeffentlichen Gespreach ueber linksextremismus ausgeschlossen haette.

       

      Ich verstehe, warum zur Veranstaltung keine Nazis erwuenscht waren, ich fuerchte nur, dass die Aktion auf lange Sicht eher ein Schuss ins eigene Knie war...

  • So geht Demokratie!

    • @Frank Passau:

      Dabei ist das doch so ziemlich das Allerletzte, was einen Neonazi-Selbstdarsteller wie Brück überhaupt interessiert...