Grundeinkommen-Versuch in Finnland: Etwas mehr Geduld, bitte
Sozialforscher kritisieren die finnische Regierung für das Ende des Experiments zum Grundeinkommen. Das stelle das Forschungsergebnis infrage.
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Aufgrund eines Wahlversprechens der rechtsliberalen Zentrumspartei von Ministerpräsident Juha Sipilä hatte die zusammen mit den Konservativen und den rechtspopulistischen „Wahren Finnen“ gebildete Regierungskoalition 2016 dem Parlament ein Gesetz über einen Grundeinkommensversuch vorgelegt. 2.000 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Arbeitslose erhalten nun für zwei Jahre monatlich 560 Euro steuerfrei. Der Zweck des Versuchs ist herauszufinden, ob das Grundeinkommen einen positiven Beschäftigungseffekt hat. Konkret, ob die Versuchspersonen in höherem oder geringerem Maße eine neue Anstellung erhalten, als eine gleich große ebenfalls zufällig ausgewählte Kontrollgruppe, die weiterhin Sozialleistungen bezieht.
Nachdem internationale Medien die Interviewäußerungen von Kangas so missverstanden hatten, als ob die Regierung in Helsinki den Grundeinkommensversuch entgegen ursprünglicher Planungen nun auf zwei Jahre beschränken wolle, sah sich die Sozialversicherungsbehörde am Mittwoch veranlasst, in einer Presserklärung klarzustellen: „Der Versuch läuft wie geplant bis Ende 2018, aber nicht länger.“
Auch wenn es positiv sei, dass der Versuch überhaupt stattfinde, könnten seine Begrenzungen und die mangelhafte Vorbereitung „das experimentelle Design zerstören“, hatte Kangas in einem Interview mit dem finnischen Rundfunk schon im Januar die Regierung kritisiert und gefordert: „Wenn man wirklich wissen will, wie das Grundeinkommen funktioniert, muss man genügend Ressourcen bereitstellen.“ Eine Begrenzung auf zwei Jahre werde die TeilnehmerInnen nicht wirklich dazu veranlassen, grundlegende Weichenstellungen über ihr weiteres Leben zu treffen.
Andere Erfahrungen aus dem Ausland zeigten, „dass Veränderungen erst im zweiten und dritten Jahr beginnen“: „Dann wagen es die Teilnehmer nämlich, ihr Leben radikaler zu verändern als zuvor, zum Beispiel durch Ausbildung für einen neuen Beruf.“ Auch die Begrenzung auf 2.000 TeilnehmerInnen – die ForscherInnen hatten ursprünglich eine Versuchsgruppe von 10.000 Personen vorgeschlagen – stelle infrage, ob auf dieser beschränkten Basis ein wirklich signifikantes Resultat erzielt werden könne.
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