Grüner Schick nach Präsidenten-Wahl: "Rot-Grün-Rot nicht aufgeben"
Die Zusammenarbeit von Grünen, SPD und Linker muss trotz des Streits über die Gauck-Kandidatur weitergehen, verlangt der Grüne Gerhard Schick. Jüngere sollen Antreiber werden.
taz: Herr Schick, seit der Bundespräsidentenwahl schimpfen SPD und Grüne auf die Linke und umgekehrt. Zufrieden?
Gerhard Schick: Zufrieden bin ich mit der Kandidatur Joachim Gaucks. Das war eine Art demokratischer Aufbruch: eine Annäherung von Bürgern und Vertretern des Staates. Dies dürfen wir nicht durch engstirnige parteipolitische Debatten vergessen machen.
Trotzdem: Die Opposition ist zerstritten. Wie wollen Sie das ändern?
Indem wir zwei Lehren ziehen. Die eine ist: Die Linke ist bei der Präsidentenwahl ihrer Verantwortung zur Gestaltung der Zukunft unseres Landes nicht gerecht geworden. Die zweite aber lautet: Ohne die Linke konnte die Opposition letztlich nicht gegen Schwarz-Gelb siegen. Die Option Rot-Grün-Rot aufzugeben, wäre deshalb ein strategischer Fehler.
Wer muss dafür in der Opposition auf wen zugehen?
Einige Leute müssen ihre Eitelkeit und persönlichen Verletzungen hintanstellen. Es kann doch nicht angehen, dass wir anstatt über die Chance, die von dieser Kandidatur ausgeht, darüber diskutieren, wer wen als Erster angerufen hat. Gerade wir Jüngeren müssen jetzt dafür sorgen, dass nach vorne geschaut wird.
Und dann?
Dann müssen wir gemeinsame Ziele formulieren, für deren Erreichen es großen Rückhalt in der Bevölkerung gibt. Das ist ja in den vergangenen Monaten bereits gelungen. Wir haben geplante Steuersenkungen verhindert, die die kommunale Daseinsvorsorge existenziell bedroht hätten.
Wie wollen Sie herausfinden, wofür es großen Rückhalt gibt?
Indem die Parteien sich öffnen.
Das klingt sehr vage.
Nehmen wir ein Beispiel. Die Grünen forderten die Transaktionsteuer, die SPD schloss sich dem an. Aber ein entscheidender Impuls kam über die Kampagne "Steuer gegen Armut" und eine Petition mit 60.000 Unterschriften. Dann setzten sich die drei Fraktionen mit der Kampagne zusammen und überlegten: Wie machen wir gemeinsam bei diesem Thema Druck? Danach folgten Anträge im Bundestag. Letztlich musste die Regierung eine Kehrtwende machen. Das muss als Nächstes beim Sparpaket gelingen, Spitzenverdiener müssen daran beteiligt werden.
INTERVIEW: MATTHIAS LOHRE
Leser*innenkommentare
walther
Gast
der grüne chauvinismus ist nicht überzeugender als der der spd, anstatt zu versuchen, sich auf kosten der linken zu profilieren, sollten sie sich auf kosten von schwarz-gelb profilieren, aber spd und grüne fürchten wohl, dass sie damit mögliche zukünftige koalitionspartner verprellen könnten.
filtor
Gast
Die erste vermeintliche Lehre, die Linkspartei sei "bei der Präsidentenwahl ihrer Verantwortung zur Gestaltung der Zukunft unseres Landes nicht gerecht geworden", zeugt von Wahrnehmungsproblemen: Autosuggestiv haben sich die Grünen und die Sozialdemokraten eingeredet, Gauck wäre erstens für die Linkspartei inhaltlich/personell attraktiver gewesen als Wulff, und die Stimmen der Linkspartei hätten im 3. Wahlgang den Ausschlag für Gauck geben können. Beides war nicht der Fall.
Selbst wer also die Bundespräsidentenwahl allein auf ihre mögliche Bedeutung für Berliner Regierungskoalitionen betrachtet (eine fragwürdige Perspektive, die jedenfalls nicht zum Topos staatstragender "Verantwortung" passt), kann redlicher Weise nicht zu der Schlussfolgerung gelangen, die Schick hier zieht.
Pyro
Gast
Sehr idealistisch. Ich hoffe er hat Recht, denn mit den persönlichen Streitereien (besonders) zwischen SPD und Linke ist die politische Arbeit in Zukunft gestört oder gar kaputt.
Verdammt nochmal, die SPD ist sauer weil die Linke sich ihrer politischen Verantwortung bewusst war - und auch so gehandelt hat.