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Grünen-Urwahl für den WahlkampfAuszählung in der Trutzburg

Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke will verhindern, dass das Ergebnis der Urwahl vorher durchsickert. Dafür nutzt sie Smartphone-Verbote und geheime Algorithmen.

Nur sie wird das Ergebnis wissen: Steffi Lemke mit Stimmzettel. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Uferhallen im Berliner Stadtteil Wedding sehen wie eine Trutzburg aus. Den Fabrikbau aus Klinker, der früher Bus- und Straßenbahnwerkstätten beherbergte, umgibt eine hohe Mauer, ein dicker Schornstein ragt am Ende auf. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass die Grünen das Ergebnis der Urwahl zur Spitzenkandidaten-Kür ausgerechnet hier auszählen.

Man muss sich den Bau in den kommenden Tagen als Fort Knox der Grünen vorstellen. Hier stehen riesige Kisten mit Zehntausenden Briefen der Urwahl-Abstimmung. Jeder Brief enthält eine eidesstattliche Erklärung, in der das Mitglied bekundet, wirklich Mitglied zu sein. Und einen Wahlzettel, auf dem es zwei Kreuze hinter die SpitzenkandidatInnen seiner Wahl gemacht hat. Im Weddinger Fort Knox lagern keine Goldbarren, sondern die Antworten auf eine Frage, der die Partei entgegenfiebert: Welche zwei Spitzengrüne stehen im Wahlkampf vorn?

Steffi Lemke, Bundesgeschäftsführerin, ist lang genug im Job, um zu wissen, wie geschwätzig ihre Partei in solchen Momenten sein kann. Wie schnell ist eine SMS an einen Journalisten geschrieben, wie verlockend ist es für Parteifunktionäre, auf Twitter mal echte Nachrichten zu verkünden. Um dies zu verhindern, plant Lemke die Auszählung und Bekanntgabe des Ergebnisses wie eine Geheimoperation. Fünfzig ausgewählte AuszählerInnen werden in diesen Tagen eingewiesen und müssen Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben.

In der nächsten Woche öffnen sie die Briefe und prüfen zunächst die eidesstattlichen Erklärungen. Smartphones und Handys sind nicht erlaubt und müssen in Schließfächer eingeschlossen werden – niemand soll in Versuchung geraten, die ein oder andere Liste abzufotografieren. Der Smartphone-Bann ist gleichzeitig ein Twitterverbot. Zumindest bei der Auszählung will Lemke Geschwätz im Netz unterbinden.

Die Auszähl-Listen werden nach einem nicht näher bekannten, hochgeheimen Algorithmus zerstückelt, den nicht mal die Piratenpartei versteht. Der einzelne Auszähler soll keine Möglichkeit haben, ein mögliches Ergebnis hochzurechnen. Die Listen werden in einer verschlossenen Wahlurne gesammelt, die Fäden laufen bei Lemke und einem Notar zusammen. Nur zwei Personen sollen nach der Auszählung das Ergebnis kennen.

Am Ende geht es dann rasant zu, um keine undichten Stellen entstehen zu lassen: Am Freitag, den 9. November, steht das Basisvotum fest, spätabends, nach Redaktionsschluss der Zeitungen. Am Samstagmorgen gibt Lemke eine Pressekonferenz. Dass Steffi Lemke sich und die Liste in dieser Nacht in ein abhörsicheres Hotelzimmer einschließt, bestätigten Quellen in der Parteizentrale der Grünen nicht mehr.

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2 Kommentare

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  • F
    Falmine

    Die Frage ist doch, wen in Deutschland interessiert das Ergebnis - außer den KandidatInnen selbst? Da hilft auch keine mediale Inszenierung.

  • K
    KingNothing

    Transparenz einer Wahl inklusive Auszählung?

    Ach wieso, wir haben doch schon bewiesen wie super duper demokratisch wir durch das Abhalten dieser Urwahl sind, da braucht man sich um solche Details nicht scheren.