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Grünen-Politiker über EU-Agrarpläne„Originell, aber totaler Quatsch“

Der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling kritisiert die von den Ministern geplante Agrarreform. Es handele sich um einen Etikettenschwindel.

Martin Häusling auf seinem Hof in Bad Zwesten Foto: Johannes Alt/laif
Eric Bonse
Interview von Eric Bonse

taz: Herr Häusling, die Agrarminister haben sich doch noch auf eine Reform geeinigt. Die deutsche Ratspräsidentin Julia Klöckner spricht von einem Systemwechsel. Ihre Reaktion?

Martin Häusling: Dieser Verkaufsversuch ist originell, aber inhaltlich ist es totaler Quatsch. Das alte System der Agrarsubventionen bleibt erhalten, wie es ist. Auch künftig werden 60 Prozent der Gelder nach Hektar vergeben. Damit bleiben zum Beispiel die großen Agrarunternehmen im Vorteil.

Aber nun sollen doch neue Ökoregelungen kommen, die sogenannten Eco Schemes?

Das ist Blabla. Die sind freiwillig, und wir wissen noch gar nicht, was die Mitgliedstaaten daraus machen werden.

Sie werden also keine Steuerwirkung entfalten – hin zu einer ökologischen Landwirtschaft?

Nein. Die Ambition ist so gering, dass man sich fast schämt. Dieser Etikettenschwindel hat fast schon Trump’sche Dimensionen.

Die Agrarlobby scheint damit durchaus zufrieden …

Das wundert mich nicht. Der Dachverband Copa Cogeca sitzt seit 50 Jahren am Tisch der Agrarminister. Die Lobbyisten sind immer dabei, auch beim Treffen in Luxemburg konnten sie ihre Position in aller Ausführlichkeit schildern. Die kritischen Umweltverbände waren nicht einmal eingeladen!

Scheitert nun der European Green Deal?

Der Ministerrat fällt EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gnadenlos in den Rücken. Bei dieser „Reform“ fehlt sowohl die „Farm to Fork“- als auch die Biodiversitätsstrategie. Wenn man bedenkt, dass die Landwirtschaft etwa zu einem Viertel an den Treibhausgasen beteiligt ist, so ist der „Green Deal“ schon im Ansatz gestorben.

Wer ist schuld? Hat Klöckner die Verhandlungen falsch geführt?

Ich würde Klöckner nicht aus der Verantwortung entlassen. Sie hat die „Eco Schemes“ um zwei Jahre nach hinten verschoben, das ist inakzeptabel. Aber es gibt noch ein grundsätzliches Problem. Die Agrarpolitik wird allein von den Agrarministern gemacht, die Umweltminister fehlen. Das muss endlich aufhören.

Im Interview: Martin Häusling

Martin Häusling ist Agrarsprecher der Grünen-Fraktion im Europaparlament.

Die Agrarminister haben aber nicht das letzte Wort. Denn nun ist das Europaparlament am Zug, es fordert mehr Geld für die Eco Schemes …

Das macht es kaum besser. Wir wissen doch nicht einmal, was diese Eco Schemes genau sein sollen! Bisher sind sie nicht viel mehr als das alte Greening, harte umweltpolitische Ziele stehen nicht dahinter.

Die endgültige Einigung steht noch aus. Anfang November kommt der sogenannte Trilog, da kann die Kommission das Ergebnis noch nachbessern. Macht Ihnen das Hoffnung?

Ich fürchte, dass die Kommission das Gesicht verlieren wird. Von der Leyen und ihr Klimakommissar Frans Timmermans könnten zwar neue Vorschläge einbringen, zum Beispiel bei Farm to Fork oder der Biodiversität. Aber bisher haben sie keine Initiative ergriffen. Das war ja auch der Deal bei der Wahl von der Leyens zur Kommissionspräsidentin – von der Agrarpolitik soll sie die Finger lassen. Und das tut sie offenbar auch.

Ist das Ganze ein schlechtes Omen für Schwarz-Grün in Deutschland?

Ja, die plötzliche Eile ist kein gutes Zeichen. Offenbar hat es Klöckner sehr eilig, ihre Reform noch vor der Bundestagswahl durchzubringen und den Sack zuzumachen. Wenn es 2021 zu Schwarz-Grün im Bund kommen sollte, könnte ein Agrarminister noch so grüne Ambitionen haben, es wird dann sehr schwer, diese auch zu verwirklichen.

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4 Kommentare

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  • eine sehr erfreuliche entscheidung

    sie bestraft automobilkonzerne die weiter keine rücksicht auf den klimaschutz nehmen wollenfür ihre verantwortungslose profitmaximierung und wirkt der hybris ihrer kunden denen suv-fahren wichtiger ist als die zukunft des lebens auf der erde entgegen

    frankreich sollte auch andere europäische länder dafür gewinnen eine solche anti-suv steuer einzuführen

  • Business as usual.

    Wenn wir diese Profiteure nicht loswerden, dann werden unsere Kinder einen sehr hohen Preis bezahlen.

  • Der letzte Satz fällt hoffentlich bei den richtigen Leuten nicht auf taube Ohren.

    Noch scheint den Grünen der Dammi nicht so sehr auf die Füße zu fallen, dass sie ihren Richtungsstreit nicht mehr länger aufschieben können. Aber er wird kommen. In der Parteispitze sitzen viele ZentristInnen, aber die sind im der Geschichte der Partei eine Randerscheinung. Der Nachwuchs hat ganz klar die Schnauze voll von irgendwelchen schwarz-grünen Traumtänzereien und kriegt beim Gedanken an einen Bundeskanzler Söder Albträume; kurz gesagt ist die Schlüsselfrage, ob die Jungwähler*innen an die Grünen gebunden werden können, oder ob sie es lieber bei der Linkspartei versuchen und die Grünen schlagartig mehr "Volkspartei" - vergreiste Partei - werden, als sie es sich wünschen.

    Spätestens im Sommer 2021 knallt es, aber richtig. Die CDU/CSU wird wieder eine "Rote Socken"-Kampagne fahren, aber damit kann man die jungen Erwachsenen nicht überzeugen, die nichts anderes kennen als Merkels Murks, den NSU-Sumpf Einzelfallnazis und den "Kampf gegen Links", Bundestrojaner und Überwachungsstaat, Klöckner, Scheuer und Seehofer, die angebliche "Klimakanzlerin" die eine Sprechpuppe von RWE und Dieselkriminellen ist, und schamlosestes Umverteilen von unten nach oben. Die Linkspartei wird ankommen mit "Hartz IV wurde von Rot-Grün eingeführt, also müsst ihr Linke wählen", aber ob das zieht bei einer Generation, die den prä-Hartz-Sozialstaat nie gekannt hat, aber Merkels grundrechtswidriges Sanktionsregime um so besser kennt, und sich weniger dafür interessiert, wer den Mist angefangen hat, als dafür, wer ihn beendet, ist ziemlich fraglich.

  • Es waren die Parteifreunde von Herrn Häusling ( mit der SPD ), die durch die Einführung der Biogas - Anlagen für das EEG, das größte sterben kleiner ( und auch größerer ) Landwirtschaftlicher Betriebe aller Zeiten gefördert haben. Über die folgen auf die Umwelt gar nicht zu reden. Es war seine Parteikollegin Künast die durch ihr stumpfsinniges aufteilen von Landwirten, Bio = gut, Konventionell = schlecht, die ganze Branche zum Spielball der Handelsriesen machte.



    Herr Häusling sollte auch mal erwähnen das Bio-Betriebe im Jahr rund 200 € je Hektar mehr erhalten als Konventionelle Betriebe. www.boelw.de/filea...ahr_020f93c340.png



    Warum kritisiert er das System, verlangt aber gleichzeitig mehr Geld ( für sich ) aus diesem System ?