piwik no script img

Grünen-Finanzexperte wird MinisterIm Südwesten jemand Neues

Der Grüne Danyal Bayaz wird neuer Finanzminister in Baden-Württemberg. Im Bundestag konnte er sich als Wirecard-Aufklärer profilieren.

„Let's go to work“: Der Grünen-Politiker Danyal Bayaz wird Finanzminister in Baden-Württemberg Foto: Jürgen Heinrich/imago

Berlin taz | Vereinfacht gesagt gibt es im Bundestag zwei Sorten Abgeordnete: Die einen kennt man, die anderen nicht. Wobei Letztere bei aktuell 709 Volksvertretern wohl in der Überzahl sind. Weil das Hohe Haus ein Arbeitsparlament ist, Gesetze also in mühevoller Feinarbeit entstehen, kann man sich die meisten Parlamentarier als Arbeitsbienen vorstellen, die – relativ unbeachtet von der Öffentlichkeit – in Ausschüssen ihre Fachthemen beackern. Auch der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz gehört dazu – als besonders emsige Biene.

Bayaz wurde 1983 in Heidelberg als Sohn einer deutschen Mutter und eines türkeistämmigen Vaters geboren und sitzt erst sei dreieinhalb Jahren im Bundestag. Doch in dieser kurzen Zeit hat sich der Abgeordnete bereits einen Ruf als Finanzexperte erarbeitet, insbesondere zuletzt im Untersuchungsausschuss zum Milliardenbetrug beim insolventen Finanzdienstleister Wirecard. Als Grünen-Obmann konnte er hier sogar Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ausquetschen.

Bayaz’ Expertise hat sich bis in die Stuttgarter Villa Reitzenstein herumgesprochen, den Sitz des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne). In dessen Neuauflage einer grün-schwarzen Koalition soll der 37-jährige Bayaz nun Finanzminister werden – und damit Nachfolger von Parteifreundin Edith Sitzmann, die freiwillig aufhört. Vor allem der Spitzen-Grüne Cem Özdemir soll sich für Bayaz ausgesprochen haben. Auf Twitter schrieb dieser denn auch von einer „echten Bereicherung für BaWü“.

Den Startup-Sprech hat er drauf

Neben dem rasanten Aufstieg fällt bei Bayaz – der mit Katharina Schulze, der Grünen-Fraktionschefin in Bayern, zusammen ist – noch etwas auf: Unterhält man sich mit ihm, hat man nicht das Gefühl, mit einem typischen Grünen zu sprechen.

Er hat in Stuttgart und New York Wirtschaftswissenschaften studiert und als Unternehmensberater gearbeitet, den Start­up-Sprech hat er also drauf. Da redet er etwa vom „Weltretter-Gen“ der Grünen; legt er erst mal los, kann er kaum bremsen. Als Chef des grünen Wirtschaftsbeirats wird er auch von seiner Bundestagsfraktion sehr geschätzt. Entsprechend groß ist dort nun auch das Bedauern über seinen Weggang.

Im Südwesten erwartet den Realo nun ähnlich fisselige Detailarbeit wie bei der Wirecard-Aufarbeitung. Grün-Schwarz hat sich zwar auf große Projekte in Sachen Klimaschutz und Infrastruktur verständigt – doch reißt die Pandemie auch in Stuttgart ein großes Haushaltsloch. Es zu stopfen wird auch Bayaz’ Aufgabe sein.

Die Spaltung in den USA sieht der Amerika-Fan als Mahnung, weshalb ihm der parteiübergreifende Austausch wichtig ist. Eine Eigenschaft, die ihm beim Umgang mit dem schwarzen Koalitionspartner helfen dürfte. „Let’s go to work“, schrieb er jüngst bei Twitter. Macht er seinen Job in Stuttgart gut, könnte er, munkeln bereits manche, eines Tages Kretschmann-Nachfolger in Baden-Württemberg werden. Von der Arbeitsbiene zum Bienenkönig sozusagen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • 0G
    04369 (Profil gelöscht)

    Erfrischend endlich von einem neuen Kopf zu lesen und nicht schon wieder von diesem Taschennazi aus Tübingen.

    • @04369 (Profil gelöscht):

      Sehr erfrischend....Nur diese "Taschennazis" sind ein Problem.

      Sonst mit "Schicke-und-gutverdienende-Wirtschaftsberater" oder "Good-networked-Managers" wäre Deutschland viel aber viel erfolgreicher...



      Wir haben zig Beispiele davon...Von Verteidungsministerium-Beratungen bis auf Cum-Ex oder Wirecard Beratern...

  • Er hat in Stuttgart und New York Wirtschaftswissenschaften studiert und als Unternehmensberater.

    So Leute kenn ich! Studium, dann Powerpoint Folien machen und anderen die Welt erklären. Da fragt man sich, wer hat jetzt mehr Wirtschaftskompetenz... der Beraterfuzi mit Studium im New York!!! oder der Provinzanwalt der ein neues Steuersystem auf einem Bierdeckel skizzieren kann.

    Super, genau so Leute brauchen wir. Ich geh jetzt mal kotzen.

  • Jemand neues tatsächlich.

    Er war Fulbright-Fellow.

    Und hat gearbeitet für Boston Consulting Group (BCG).

  • Moment. Bienen haben immer eine Königin, dachte ich? Und die Arbeiterinnen sind auch immer Frauen?

    Die Männer... na ja. Bei den Bienen, natürlich!