Grünen-Atomexpertin zu Gorleben: "Das darf keine Alibilösung sein"
Die Niedersächsin und Grünen-Atomexpertin Rebecca Harms erklärt, warum Röttgens neue Atomendlagersuche nicht neu ist. Und warum Baden-Württembergs Grüne danebenliegen.
taz: Frau Harms, beginnt die Suche nach einem Atomendlager nun wirklich von vorn und mit einer "weißen Landkarte", wie Minister Röttgen sagt?
Rebecca Harms: Herr Röttgen neigt zum Selbstbetrug. Er hat bislang alles dafür getan, dass der Ausbau des potenziellen Endlagers Gorleben voranschreitet - mit nichtdemokratischen, nichttransparenten Verfahren. Sein "Neuanfang" sieht mehr aus wie die finale "Durchsetzungsstrategie Gorleben".
Die baden-württembergischen Grünen finden die neue Einigung offenbar prima, Ministerpräsident Kretschmann spricht von einer einmaligen Chance …
Die Chance sehe ich auch. Was man daraus macht, ist noch offen. Ein neues Verfahren darf nicht nur eine Garnierung des alten Gorleben-Verfahrens sein. Bevor man jetzt ein neues Endlagersuch-Gesetz macht, muss es eine politische und gesellschaftliche Verständigung darüber geben, welches die Sicherheitskriterien, welches die Partizipationsmöglichkeiten sein sollen, damit die Bevölkerung fair einbezogen wird. Dann müssen mehrere Standorte gleichberechtigt geprüft werden. Gorleben aber muss man nicht mehr erkunden, Gorleben wird seit über 30 Jahren erkundet.
Auch Baden-Württemberger Grüne finden es aber unfair, wenn jetzt bei ihnen im Lehm gebohrt wird und nicht mehr im niedersächsischen Salz …
Der Streit, ob Gorleben "drin" ist bei der Suche oder "draußen", ist fruchtlos, solange nicht eindeutig geklärt ist, wie das neue Suchverfahren aussehen soll. Wir haben in Niedersachsen eine lange Erfahrung mit der Nichternsthaftigkeit von politischen Absichtserklärungen. Bevor Gorleben wieder in eine Suche mit aufgenommen werden kann, muss eindeutig geklärt sein, dass dieses neue Verfahren keine Alibilösung dafür ist, sich am Ende auf Gorleben zu einigen.
Winfried Kretschmann hält eine Volksabstimmung für eine gute Idee - tun Sie das auch?
Es muss um Partizipation von Anfang an gehen. Die Leute müssen bei jedem Schritt mitreden dürfen: bei der Festlegung des Verfahrens und während der gesamten Erkundung. Partizipation ist viel mehr als eine Abstimmung am Ende, bei der dann der Standort ausgewählt wird, wo am wenigsten Menschen leben - und nicht der, wo es am sichersten ist.
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