■ Grüne und christliche Kirchen nähern sich ganz pragmatisch: Westfälischer Friede
Es erinnert an den Westfälischen Frieden, was sich am Wochenende in Münster abzeichnete: Nach dem Dreißigjährigen Krieg zwischen den christlichen Kirchen und der außerparlamentarischen und später grünen Opposition finden beide Seiten zu einem pragmatischen Umgang miteinander. Damit folgen nun auch die Hauptakteure ihrer jeweiligen Szene dem Vorbild von BUND und der katholischen Entwicklungsorganisation Misereor, die bereits vor geraumer Zeit ein Gutachten zur nachhaltigen Entwicklung Deutschlands vorlegten. Der Aufschrei galt damals nicht so sehr den Inhalten als vielmehr dieser neuen Koalition von Ökologen und Christen. Nach diesem erfolgreichen Probelauf hat der Pragmatismus wieder ein bißchen mehr um sich gegriffen. Durch eine nur mehr leicht ideologisch getönte Brille betrachtet man die Papiere des jeweils anderen und stellt erstaunt fest, daß sich viele Forderungen gleichen. In der Tat liest sich das gemeinsame Wort der Kirchen aus dem letzten Jahr bis in Formulierungen hinein teilweise wie die Programmatik von Grünen oder Sozial- und Umweltgruppen.
Sowohl für die Kirchen als auch für die Grünen ist diese Art der Kooperation ein Schritt zur vielbeschworenen Politikfähigkeit: Wichtig am politischen Partner ist für Grüne und Kirchen die punktuelle Übereinstimmung bei konkreten Fragen. Das Milieu, der fehlende Stallgeruch beim jeweils anderen, hat in den vergangenen Jahren eine ernsthafte Auseinandersetzung verhindert. Nun sehen sich beide Gruppen zur Kooperation gedrängt: Die Grünen haben begriffen, daß sie für ihre Reformvorhaben alle Verbündeten brauchen werden, die sie kriegen können. Außerdem sehnen sie sich nach den jüngsten Erfahrungen mit der SPD nach Partnern, für die sie nicht Mehrheitsbeschaffer, sondern gleichberechtigt sind.
Die Kirchen wiederum bauen für einen möglichen Machtwechsel in Bonn vor, um nicht plötzlich mit ihrem gesellschaftlichen Einfluß im Abseits zu stehen. Vor allem aber macht sich bis weit in bürgerliche Kirchenkreise immer stärker das Unbehagen an der Politik der C-Parteien breit. Die Spaltung und Perspektivlosigkeit vieler Menschen erleben die Pfarrer und Gemeinden jeden Tag. Für ein herzliches Verhältnis sind sich Grüne und Kirchen auch in Zukunft zu fremd, zu groß sind die gegenseitigen Irritationen. Doch beide Seiten haben das kleine Einmaleins der Gesellschaftspolitik gelernt: Politische Verbündete muß man nicht lieben, um mit ihnen an einem Strang zu ziehen. Bernhard Pötter
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