Grüne rüffeln Grüne: Rückrufaktion bei Kotkontrolleuren
Nach der Forderung, Hartz-IV-Empfänger gegen Hundekot einzusetzen, distanziert sich der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann von der Abgeordneten Claudia Hämmerling - aus Angst vor dem Wähler.
Das passiert den Grünen nicht alle Tage: Nachdem die Tierschutzexpertin der Abgeordnetenhausfraktion, Claudia Hämmerling, den Einsatz von Hartz-IV-Empfängern gegen Hundekot ins Gespräch brachte, zog Fraktionschef Volker Ratzmann am Dienstag die Notbremse.
"Die Medienäußerung der Abgeordneten Claudia Hämmerling über Arbeitslosengeld-II-Empfänger, die Straßen und Gehwege kontrollieren sollen, gibt nicht die Position der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus wieder", ließ Ratzmann über seinen Pressesprecher mitteilen. "Solche Vorschläge sind nicht Bestandteil grüner Politik." Hämmerling selbst konnte am Dienstag für eine Stellungnahme nicht erreicht werden, sie ist bis Ende der Woche im Urlaub.
Die öffentliche Distanzierung zeugt von einer gewissen Nervosität in der Partei. Je länger der Name von Renate Künast als möglicher Kandidatin für das Amt der Berliner Regierungschefin im Gespräch ist, desto mehr stehen die Berliner Grünen unter Beobachtung. "Die Hartz-IV-Äußerung kann man durchaus mit der Forderung nach 5 Mark pro Liter Benzin vergleichen", sagte ein Berliner Grünenfunktionär der taz. Die "Fünf-Mark-Forderung" der Grünen auf dem Magdeburger Parteitag 1998 hatte die Partei kurz vor der Bundestagswahl absacken lassen. Darüber hinaus steht nicht nur die Berliner Abgeordnetenhauswahl 2011 an, sondern am 8. Mai auch der Urnengang in Nordrhein-Westfalen.
Mit pointierten Vorstößen ist Hämmerling in der Vergangenheit immer wieder aufgefallen. Zuletzt hatte sie den Direktor des Zoologischen Gartens wegen angeblicher Verstöße gegen das Tierschutzgesetz angezeigt. Dass sich die Grünen eine "tierschutzpolitische Sprecherin" leisten, ist oft belächelt worden.
Andererseits ist Hämmerling als Verkehrspolitikerin und Stadtentwicklungsexpertin eine der kompetentesten Grünen. Dass sich ihre jüngste Forderung nun eher gegen Hartz-IV-Empfänger als gegen Hundebesitzer richtet, hat nach dem Rummel über die Äußerungen des ehemaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin viele Abgeordnete aufgeschreckt. "Bei dieser Forderung ist es egal, ob man Linker oder Realo ist", sagt der Abgeordnete Benedikt Lux. "Das muss man einfach ablehnen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga