Grüne im Wahljahr: Grünen-Wähler lieben Merkel
Zum Verdruss der grünen Spitze finden 80 Prozent des eigenen Milieus die Bundeskanzlerin kompetent. Für viele ist Schwarz-Grün trotzdem tabu.
BERLIN taz | Jürgen Trittin lässt keine Gelegenheit aus, um Angela Merkel Unfähigkeit zu attestierten. Erst am Donnerstag zerpflückte der Grünen-Spitzenkandidat im Bundestag genüsslich eine Regierungserklärung der Kanzlerin zur europäischen Krise. Der von ihr mitbeschlossene EU-Etat sei „rückwärtsgewandt, unökologisch und unsozial“, lästerte er.
Mit der Dekonstruktion Merkels folgte Trittin einer Strategie, die Spitzengrüne bereits Mitte 2012 ausriefen. „Wir müssen es schaffen, Merkel mit dem Chaos ihrer Truppe in Verbindung zu bringen“, schwante damals einem Parteistrategen.
Mit Sorge beobachten die Oppositionsstrategen die hohen Beliebtheitswerte der Kanzlerin, die präsidial über den Wirren der schwarz-gelben Innenpolitik schwebt. Ob Betreuungsgeld, Plagiatsaffären ihrer Minister oder Dauerstreit bei der Energiewende, Merkels Beliebtheit in der Bevölkerung schadet all dies nicht.
Doch kompetent
Dumm für die Grünen ist nun: Ihr Projekt Merkel = Schwarz-Gelb = Chaos ist bisher grandios gescheitert. Den letzten Beleg liefert eine interne, repräsentative Befragung von Grünen-Wählern, die TNS Infratest im Auftrag der Partei erstellt hat. Die 42-seitige Umfrage beweist, dass Merkel sehr beliebt ist – sogar in dezidiert Grünen-affinen Milieus. Fragt man zum Beispiel Grünen-Anhänger, für wie kompetent sie die Kanzlerin halten, sagen satte 81 Prozent „sehr kompetent“ und „kompetent“. Und fast die Hälfte gibt an, Merkel „sehr sympathisch“ oder „sympathisch“ zu finden.
Die Zahlen dürften die Grünen-Bossen beunruhigen. Wie eine Wechselstimmung erzeugen, wenn die eigenen Wähler Merkel klasse finden? Zum mäßig beliebten Steinbrück liefert die Umfrage keine Daten.
Besonders ärgerlich für Trittin: Gerade Merkels Europapolitik findet unter Grünen Fans. 67 Prozent der Grünen-Anhänger geben an, Merkel vertrete in der Eurokrise „erfolgreich deutsche Interessen“. Und 39 Prozent halten gar die Europolitik Merkels, gegen die Trittin regelmäßig wettert, für „alternativlos“.
Wie stark die Bewertung der Kanzlerin und die ihrer Koalition auseinanderklafft, belegt ein weiterer Chart. Die Meinungsforscher baten Leute, die grün wählen oder sich vorstellen können, das zu tun, Schulnoten zu verteilen. Einmal für die „schwarz-gelbe Bundesregierung“ – und einmal für die „Regierung Merkel“. Der kleine Trick brachte ein frappierendes Ergebnis: Schwarz-Gelb benoten 5 Prozent der Befragten mit gut, 38 Prozent mit befriedigend. Die Merkel-Regierung finden 1 Prozent sehr gut, satte 17 Prozent gut, und 43 Prozent befriedigend. Merkels Glanz strahlt also ab.
Die Grünen-Spitze gibt sich dennoch gelassen. Im Wahlkampf werde „immer deutlicher werden, wer als Regierungschefin die Verantwortung für die falsche Politik trägt: Angela Merkel“, sagte Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke. Die Umfrage bestätigt ihre Sicht gleich mehrmals. Beispielsweise droht über die Hälfte der Grünen-Anhänger, gar nicht erst Grün zu wählen, sollte sich die Partei für Schwarz-Grün aussprechen. Flirts stecken eben voller Widersprüche – und sind oft nicht ernst gemeint.
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