piwik no script img

Grüne im Jammertal Baden-württembergische Grüne trotz Wahlerfolg deprimiert/ Parteierosion auf dem Land und an der Basis / Resolution zu BuVo-Anzeige und Bonner Streit /Bundesvorstand rechtfertigt Anzeige

Grüne im Jammertal

Baden-württembergische Grüne trotz Wahlerfolg deprimiert/

Parteierosion auf dem Land und an der Basis / Resolution zu BuVo-Anzeige und Bonner Streit /Bundesvorstand rechtfertigt Anzeige

Aus Biberach Dietrich Willier

Sie reden, sie schauen drein, als säßen sie in einem tiefen Jammertal, als wuchere statt Sonnenblumen das Unkraut in den Himmel. 250 Delegierte der baden-württembergischen Grünen hatten sich am vergangenen Wochenende zu einem Landesparteitag im oberschwäbischen Biberach getroffen, die Stimmung reichte von realpolitischem Selbstbewußtsein bis zu tiefer Resignation.

Die Grünen, so klagte Vorstandssprecher Kaiser, hätten sich eingeigelt, das offene Ringen um einen eigenen politischen Weg sei ebenso versickert wie Forderungen nach einer ökologischen Humanisierung der Gesellschaft. Begriffe explizit Grüner Politik seien von anderen Parteien längst und erfolgreich übernommen worden, die Grünen hätten an Kontur verloren.

Andere Parteitagsredner hatten eine tiefe Parteierosion auf dem Land und an der Basis ausgemacht. Selbst bei der Vergabe innerparteilicher Posten war die Personaldecke dünn geworden, die Ersatzwahl für zwei geschäftsführende Landesvorstände mußte mangels Masse auf den Herbst verschoben werden. Ein Grünes Leichenbegängnis nach erfolgreicher Landtagswahl? Und jetzt auch noch neuer Zoff aus Bonn.

Doch der Zoff, die Anzeige des Grünen Bundesvorstands in der Frankfurter Rundschau am vergangenen Freitag, belebte immerhin die Diskussion. In einer am Sonntag vormittag verabschiedeten Resolution halten die baden -württembergischen Grünen eine erneute Erörterung über ein Mindeststrafmaß bei Vergewaltigung für sinnvoll. Auf dem kommenden Bundesparteitag im Herbst soll ein abschließendes Votum abgegeben werden, eine Urabstimmung sei nicht sinnvoll. Empört und verärgert aber sei man über die erneute Eskalation innerparteilicher Auseinandersetzungen. Die baden -württembergischen Grünen verurteilen das Verhalten sowohl ihrer Bonner Fraktion wie auch des Bundesvorstands der Partei.

In einem Brief an die Kreis- und Ortsverbände sowie die Bonner Fraktion rechtfertigt der Bundesvorstand die Anzeige. Die Partei gehe nicht dadurch kaputt, daß Basismitglieder ihren Protest öffentlich machen, sondern dadurch, daß Bundestagsabgeordnete „sich über jahrelange Diskussionen und Parteibeschlüsse eiskalt hinwegsetzen. Wenn es hier überhaupt um Spaltung geht, dann um die selbstgewollte Ab -Spaltung der Bundestagsfraktion von ihrer Basis“. Joschka Fischer sprach imZusammenhang mit der Anzeige von einem „politisch selbstmörderischen Verhalten, das die Partei endgültig kaputt macht“. Otto Schily empfahl dem Bundesvorstand, zurückzutreten. Im Mittelfeld der Partei hält man den neuen Krach für einen Ausdruck des machtorientierten Flügelkampfes. Am kommenden Freitag werden Bundes-, Landesvorstände und die Fraktion in Bonn die Auseinandersetzung persönlich weiterführen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen