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Grüne Männchen nur innerstädtischSie sind nicht unter uns

Über Nordamerika schweben unbekannte Objekte, angeblich ohne Außerirdische. Warum kommen Aliens eigentlich nie nach Europa?

Das sähen wir auch mal gern: Begegnung über South Carolina am 4. Februar Foto: Chad Fish/AP

Beruhigende Nachrichten aus den USA: „Es gibt keinen Hinweis auf Aliens oder außerirdische Aktivitäten bei diesen jüngsten Abschussaktionen“, ließ die Sprecherin des Weißen Hauses die Presse am Montag wissen. Denn im Himmel über Nordamerika spielt sich gerade Aufregendes ab: Nachdem bereits ein potenzieller Spionageballon chinesischer Bauart über der Küste des südöstlichen Bundesstaates South Carolina abgeschossen wurde, sind nun über Alaska, Kanada und dem Mittleren Westen weitere fliegende Objekte gesichtet worden.

Das US-Militär schoss seit Freitag drei von ihnen ab. Was mit ihren Trümmern geschehen ist und worum es sich bei den Flugkörpern genau handelt, ist noch unklar. Nachdem es erst hieß, die Flugkörper seien achteckige Objekte, sollen es nun metallische Ballone in Größe eines Klein­wagens sein.

Wilde Spekulationen brandeten durch soziale Medien: Handelt es sich dabei etwa um fliegende Untertassen? Haben wir gerade außerirdischen Besuch aus dem Himmel geschossen? So weit gingen die Gerüchte, dass sich das Weiße Haus schließlich genötigt sah, klarzustellen, dass es sich bestimmt nicht um Aliens handelt. Nothing to see here!

Spätestens seit „Akte X“ haben wir jedoch gelernt, daran zu zweifeln, wie vertrauenswürdig Vertreter der US-Regierung in gut sitzenden Anzügen und mit akurat gescheiteltem Haar sind, wenn es um Extraterrestrisches geht. Und da gibt es einiges: Das Geoinformationsunternehmen Esri veröffentlichte 2019 ein Video, in dem alle UFO-Sichtungen seit 1906 als gelbe Punkte auf einer Weltkarte aufgezeichnet sind.

US-Pass zeigt Final frontier

So viele Menschen können nicht unrecht haben, hinter einem dieser leuchtenden Punkte muss sich doch eine fliegende Untertasse verbergen! Auffällig an der Karte ist, dass darauf die USA als strahlendes Zentrum der Alien-Entdecker erscheinen. Auch jetzt schweben die Flugobjekte über Amerika – nicht über Europa. Warum bekommen wir eigentlich nie Besuch? Sind unsere Städte es etwa nicht wert, von Laserstrahlen zerschossen zu werden?

Das Desinteresse beruht vielleicht auf Gegenseitigkeit. Das Interesse am All ist tief in der amerikanischen Kultur verankert. Die letzte Seite des US-Passes zeigt die final frontier: die Raumsonde Voyager, die am Mond vorbeifliegt. Hollywood schmeißt seit Jahrzehnten einen Alien-Film nach dem andern auf den Markt. Aber auf dieser Seite des Atlantiks scheint sich niemand dafür zu interessieren, was da draußen noch zu finden ist.

Selbst im sonst so technik- und weltraumaffinen sozialistischen Osten sah man keinen Alien weit und breit. In den Science-Fiction-Filmen aus dem Osten wie „Solaris“, „Ikarie XB1“ oder „Signale“ ging es meistens – wie langweilig – um philosophische Fragen des Menschseins.

Ist die Innenstadt ein linksliberales UFO?

Vielleicht müssen wir ja nicht wie die Amerikaner ganz weit nach draußen schauen, um das Fremde und Verstörende zu finden. Gerade erst haben sich ja die CDU-nahen Berliner Außenbezirke wie ein außerirdischer Körperfresser die Stadt einverleibt. Oder ist die Innenstadt ein linksliberales UFO, gelandet im bodenständigen Berlin? Grüne Männchen finden sich innerhalb des S-Bahn-Rings ja zuhauf.

Und es kommt noch dicker: Während Elon Musks SpaceX sich schon aufmacht, den Mars zu kolonisieren, darbt das europäische Weltraumprogramm. „Wir sind in einer ernsthaften Krise des europäischen Trägerraketen-Sektors“ ließ die europäische Raumfahrtagentur ESA kürzlich verlauten. Seit die russische Raumfahrtbehörde Ros­kosmos wegen terrestrischer Verstimmungen ihre Sojus-Trägerraketen vom europäischen Weltraumbahnhof abgezogen hat, sitzen die Europäer auf der blauen Kugel fest.

Die neue ESA-Trägerrakete Ariane 6 kommt nicht in die Puschen und soll mit drei Jahren Verspätung erst Ende 2023 starten – wenn überhaupt. Auch der kommerzielle Flug von Vega-C, dazu gedacht, wenigstens europäische Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen, wenn schon keine europäischen Menschen durchs All fliegen, scheiterte kläglich. So wird das nie was mit uns und dem All, mes confrères et consoeurs européens.

Denn wie schön wäre es, nach Corona, Krieg und Umweltkrise mit echten Außerirdischen endlich was hoffnungsvolles zu erleben. Vielleicht hätten die ­Aliens ja sogar die technologische Lösung für all unsere Probleme in ihrem Space-Rucksack dabei.

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4 Kommentare

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  • es ist wie bei "99 Luftballons"...

  • Intelligente Wesen umfliegen die Erde weiträumig. Die Anderen können nicht fliegen.

  • Sky's the limit, in der (sehr alten) exzeptionalistischen Wahrnehmung der Amerikaner vielleicht wichtiger noch: the only limit. Und in weiten Teilen des Landes ja nicht nur im übertragenen Sinn. Schon Ralph Waldo Emerson erkannte, der Himmel sei das täglich Brot der Augen. Solche Horizonte gibt es nicht überall, auch wenn sie selbst (gerade) dort und einschließlich so vermeintlich rückständiger Ecken wie Texas leider immer mehr durch ganze Wälder von Windkraftanlagen auch ein wenig verstellt werden. Emerson hätte es nicht gemocht, ich auch nicht, aber die Argumente verstehen und erkennen wir an. Ist nicht ganz mein Gebiet aber ich habe den Verdacht es gibt Gründe, weshalb der Griff ins Übernatürliche offenbar besonders Marotte der Welt- und Supermächte ihrer jeweiligen Zeit war. Es sind nicht nur Aliens im zeitgenössischen Amerika, es kommen etwa auch die Grusel-, Geister- und Gothic-Geschichten Großbritanniens auf der Höhe seines Empire in den Sinn. Es geht nicht unbedingt um Plausibilität, eher um Vorstellungskraft und wo soll Gefahr denn lauern, wo so ziemlich alles Irdische erobert scheint. Mehr noch geht es aber natürlich immer um Kontrolle, um Lenkung, um die Versicherung des Glaubens das, wenn schon kein Gott, etwas oder jemand "ganz oben" doch alles steuert, steuern kann. Das ist das Wesen der Verschwörung par excellence, die mitnichten eine amer. Eigenart wäre, und bei uns Außerirdische nur deshalb nicht so häufig auftreten könnten, weil es andere Optionen gibt. Das sind ironischerweise nun für nicht Wenige grad die US-Amerikaner. Deutschland ist nicht souverän, geheime Mächte, alles wird diktiert, unsere Politik nur Staffage, bla bla bla, das, was immer auch Flucht vor eigener Verantwortung ist, mehr oder minder klar ausgedrückt ja keinesfalls auf Ränder beschränkt, keinesfalls. Dass die Science Fiction des ehem. Ostblocks häufiger soziale Schwerpunkte setzte, hat natürlich auch politische Gründe. Es war eine gute Tarnung, um sowas unterzubringen.

  • Warum die Space Aliens an der EU nicht interessiert sind? Na einfach weil die EU langweilig & zunftsunfähig ist.