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Grüne Lunge und schwarzes GoldBrasiliens Klimapolitik zwischen Hoffnung und Ölförderung

Mit Belém im Amazonas-Gebiet hat Brasilien einen symbolträchtigen Ort für die COP30 ausgewählt. Doch was passiert dort politisch für den Klimaschutz?

Abholzung im Amazonas-Gebiet: Ein Lastwagen steht in einem gerodeten Gebiet, Aufnahme aus dem Jahr 2001 Foto: Fernando Souza/ZUMA Press Wire/dpa

afp | Mit Belém im Amazonas-Gebiet hat die brasilianische Regierung einen symbolträchtigen Ort für die UN-Klimakonferenz (COP30) ausgewählt. Der riesige Amazonas-Urwald ist einer der Faktoren, die Brasilien bei den internationalen Klimaschutzbemühungen besonderes Gewicht verleihen. Zugleich belasten die mächtige Agrarlobby und die umfangreiche Ölförderung die brasilianische Klimabilanz. Es folgt ein Überblick der Klimapolitik Brasiliens.

Klimaschutz-Comeback unter Lula

Beim internationalen Klimaschutz spielt Brasilien traditionell eine wichtige Rolle. 1992 wurde beim sogenannten Erd-Gipfel in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) unterzeichnet. Außerdem ist das riesige Schwellenland mit seinem als grüne Lunge der Erde bekannten Amazonas-Regenwald ein wichtiger Akteur bei der Bekämpfung der Klimakrise und „extrem gut vernetzt in der internationalen Klimadiplomatie“, wie die Misereor-Klimareferentin Anika Schroeder sagt.

Unter dem vorherigen rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro trieben die Agrar- und Bergbaulobby in den Jahren 2019 bis 2022 allerdings den Raubbau im Amazonas voran. Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva steuerte nach seiner Rückkehr in den Präsidentenpalast um. Kurz nach seinem Wahlsieg verkündete der Linkspolitiker bei der damaligen Weltklimakonferenz in Scharm el-Scheich, dass Brasilien „zurück“ sei in der internationalen Klimadiplomatie und die übernächste COP im Amazonas-Gebiet ausrichten wolle.

Nach seinem Amtsantritt 2023 holte Lula erneut Marina Silva als Umweltministerin in sein Kabinett, die bereits während seiner ersten beiden Amtszeiten die Waldzerstörung wirksam bekämpft hatte. Die überzeugte Klimaschützerin reaktivierte sofort den unter Bolsonaro ausgesetzten Amazonas-Fonds für den Urwaldschutz.

Schutz des Waldes und der Indigenen

Lula bekennt sich zu dem Ziel zahlreicher Staaten, die Waldzerstörung bis 2030 zu stoppen. Tatsächlich fuhr Brasiliens Staatschef trotz der mächtigen Agrar- und Wirtschaftslobby die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes deutlich zurück: Wurden dort in Bolsonaros letztem Amtsjahr mehr als 10.000 Quadratkilometer Wald vernichtet, war es 2023 und 2024 immerhin jeweils weniger als die Hälfte. Auch in anderen Gebieten wie der artenreichen Feuchtsavanne Cerrado wurden nicht mehr so viele Bäume abgeholzt oder niedergebrannt.

Eng mit dem Waldschutz hängt der Schutz indigener Völker zusammen. Lula hat ein Ministerium für sie geschaffen. Seit Beginn seiner dritten Amtszeit hat er 16 Indigenen-Schutzgebiete staatlich anerkannt und damit den Schutz dieser Gebiete vor Abholzung und Brandrodung verbessert.

Laut Marcio Astrini von der Klimabeobachtungsstelle, einem Zusammenschluss brasilianischer NGOs, ist dies besonders nachhaltiger Waldschutz. Denn sollte bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2026 ein Klimaskeptiker gewinnen, könnte dieser zwar Mittel für den Klimaschutz streichen. „Aber er kann nicht ein geschütztes Indigenen-Gebiet abschaffen“, sagt Astrini.

Um den Waldschutz fest zu verankern, hat Lula am Donnerstag beim Klimagipfel in Belém eine internationale Initiative gestartet. Der Fonds Tropical Forest Forever Facility (TFFF) soll künftig den Schutz bedrohter Wälder in verschiedenen Weltregionen finanzieren.

Den Plänen zufolge sollen dafür 25 Milliarden Dollar (21,7 Milliarden Euro) an staatlichen und 100 Milliarden Dollar an privaten Mitteln bereitgestellt werden. Bislang gingen Zusagen von rund 5,5 Milliarden Dollar ein, auch Deutschland will sich mit einem „namhaften“ Betrag beteiligen.

Umstrittene Ölförderung

In der Klimawissenschaft besteht Einigkeit, dass die Nutzung fossiler Energieträger die Hauptursache für die fortschreitende Erderwärmung ist. Dennoch will Lula absehbar nicht auf die Ölförderung in Brasilien verzichten. „Die Welt ist noch nicht bereit, ohne Erdöl zu leben“, sagte er jüngst. Aus seiner Sicht werden die Öleinnahmen etwa gebraucht, um in die Entwicklung klimafreundlicher Kraftstoffe für die Energiewende zu investieren.

Brasilien ist derzeit der achtgrößte Erdölförderer der Welt. Lula will den staatlichen Ölkonzern Petrobras gar zum „größten Erdöl-Unternehmen der Welt“ machen. Ausgerechnet im Jahr der COP30 hat Petrobras eine entscheidende Hürde genommen, um Offshore-Ölbohrungen an der Amazonas-Mündung vorzunehmen, und rechnet nach eigenen Angaben damit, bald die Förderlizenz zu bekommen.

Suely Araújo von der brasilianischen Klimabeobachtungsstelle hält dieses Vorhaben für einen „historischen Fehler“. „Nachhaltiges Erdöl existiert einfach nicht – Punkt“, sagt sie.

Dass Brasilien zu den größten Treibhausgas-Emittenten der Welt gehört, liegt aber nicht vorwiegend an der Ölförderung. Laut Felipe Barcellos e Silva von der brasilianischen Denkfabrik Institut für Energie und Umwelt (Iema) entfallen 50 Prozent von Brasiliens Emissionen auf die Waldzerstörung und 25 Prozent auf die Landwirtschaft.

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