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Grüne Kritik am Schulkonsens in NRWNachsitzen, KollegInnen!

Während der NRW-Landesverband den "Schulkonsens" mit der CDU feiert, üben Parteifreunde Kritik. "Weit weg" vom grünen Ideal, sagt Niedersachsens Landeschef.

Die Grünen außerhalb von NRW sind enttäuscht vom Schulkonsens der Kollegen an Rhein und Ruhr. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Grünen in Nordrhein-Westfalen sind des Lobes voll für ihre - zusammen mit der CDU - beschlossene Schulreform. Doch während Grünen-Schulministerin Sylvia Löhrmann von einem "großen Wurf" schwärmt, regt sich bereits Kritik in ihrer eigenen Partei.

"Dieser Beschluss liegt weit weg von dem bildungspolitischen Ideal, das die Grünen eigentlich vertreten", sagt Jan Haude, Grünen-Landeschef in Niedersachsen. Auch die Grüne Jugend ist skeptisch. "Was in NRW herausgekommen ist, ist nicht das, was wir uns unter grüner Schulpolitik vorstellen", sagt Sprecherin Gesine Agena. Entscheidend sei das Ziel des längeren gemeinsamen Lernens von Kindern. "Und zwar länger, als es bei der Sekundarschule in NRW der Fall sein wird." Beide verweisen jedoch auf die Mehrheitsverhältnisse: Die Einigung sei ein Kompromiss, der "der schwierigen Gemengelage vor Ort geschuldet ist", betont Haude.

Die rot-grüne Minderheitsregierung in NRW hatte sich am Dienstag nach jahrelangem Streit mit den Christdemokraten auf eine Schulreform geeinigt. Die CDU stimmte zu, die Garantie für die Hauptschule aus der Landesverfassung zu streichen. Rot-Grün verabschiedet sich dafür von der Gemeinschaftsschule, welche Kinder aller sozialen Schichten bis zum Abitur gemeinsam lernen lassen sollte. Neben dem Gymnasium soll es künftig eine Sekundarschule als Alternative zu Haupt- und Realschule geben. Sie hat keine gymnasiale Oberstufe.

Ein klitzekleines Reförmchen

Mit dieser Vereinbarung rücken die Grünen im größten Bundesland von einer urgrünen Idee - eine Schule für alle! - ab. Auch in anderen Ländern, in denen Grüne an der Macht sind, haben sie dieses Ziel aufgeweicht und setzen auf Zwei-Säulen-Modelle. In Baden-Württemberg lässt Grün-Rot das Gymnasium in Ruhe und führt Gemeinschaftsschulen parallel ein - aber nur, wenn Eltern und Lehrer dies wollen. In Bremen vereinbarten SPD und Grüne mit der CDU 2009, dass neben dem Gymnasium eine Oberschule existiert.

Aus der einst harten Forderung nach längerem gemeinsamem Lernen ist eine sanfte geworden. Motto: Ein bisschen Reform reicht, wenn wir damit die aufs Gymnasium fixierten Bildungsbürger nicht verprellen. Ein Grund dafür ist das Trauma von Hamburg. Hier versuchte der schwarz-grüne Senat, die Grundschulzeit um zwei Jahre zu verlängern, und scheiterte damit im Sommer 2010 an einem Volksentscheid.

"In Deutschland wird eher das Biertrinken abgeschafft als das Gymnasium", lästert der Berliner Schulpolitiker Özcan Mutlu. Im Wahlkampf zur Berliner Abgeordnetenhauswahl im September unterstützt sein Landesverband die vom rot-roten Senat eingeführte Sekundarschule. Sie fasst Haupt- und Realschule zusammen, wobei nur manche dieser Schulen das Abi ermöglichen. In Niedersachsen will Haude 2013 einen "bildungszentrierten" Wahlkampf. Dort setzen die Grünen noch auf Integrierte Gesamtschulen - das Gymnasium bleibt daneben, selbstverständlich, unangetastet.

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8 Kommentare

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  • M
    Monika

    Das ist für NRW doch sogar ein Rückschritt. Die mittlere Reife konnte man eh bisher schon lange an jeder Hauptschule machen ("10B") und auch die reinen Hauptschüler besuchten meist eine 10. Klasse ("10A"). Da ist wenig gewonnen durch Zusammenlegung mit der Realschule. Aber was wird nun aus den Gesamtschulen in NRW?! Wird die 5-10-Sekundarschule wirklich die einzige Schulform neben dem Gymnasium sein?

  • GM
    Gosig Mus

    Ein weiterer grüner Erfolg, der sich einreihen kann mit grüner Friedenspolitik, mit dem rot-grünen "Atomausstieg", dem Kraftwerk Moorburg, S21 -- hab ich noch was vergessen? Prinzipientreu bis zum Schluss. Oder bis es unbequem wird.

  • EK
    Erhard Korn

    "Welche Eltern wollen ihre Kinder schon an Schulen haben, wo die Umgangssprache schlechtes oder gar kein Deutsch ist und wo kaum "beschulbare" Mitschüler jedes Lernen im Ansatz ersticken?"

    Es erschreckt mich als Hauptschullehrer, solche Kommentare von taz-Lesern zu hören.

    Kein Wunder, dass die Grünen so weit nach rechts gewandert sind.

  • G
    Grün&Gut

    Was für Chancen in diesem Schulkonsens liegen, welche Entwicklungsmöglichkeiten er eröffnet, das wird hier leider komplett ausgeblendet. Mir tut das leid für einige (linke) Grüne, die leider nicht verstanden haben was Realpolitik und Politik im Realen heißt. Und das tut mir auch leid im Sinne der Kinder, denn die Radikalforderungen mit Radikalumbrüchen, die besonders Linke und ultralinke Grüne stets fordern, würden das System nicht ultimativ verbessern, sondern Generationen gegen die Wand schleudern. Man kann das Schulsystem nicht von einem auf den anderen Tag um 180° drehen - wer das will, lebt auch in Zuckerwatteschlössern. Ich danke den Grünen in NRW, dass sie diesen historischen Schulkonsens geschafft haben - im Sinne der Kinder, im Sinne eines guten Verständnisses von Demokratie und den damit einhergehenden Konsensen. Alles andere wäre blinde Diktatur. Alles andere wäre im Sinne eines Politikverständnisses, das nicht schafft, sondern zerstört.

  • T
    Thomas

    "...Ländern, in denen Grüne an der Macht sind..."

    Das Schlüsselwort ist m.E. MACHT.

    Macht bedeutet für mich, etwas bei Bedarf auch gegen anderer Leute Wille durchsetzen zu können.

    Dies aber ist in einer Minderheitsregierung wie NRW nur mit großen Abstrichen zu erreichen.

  • K
    keetenheuve

    Die Berliner Schulreform ist doch grandios gescheitert. Man hat zwar die Hauptschulen abgeschafft, aber (wie zu erwarten war) sind beispielsweise die Elternhäuser und die problematischen Schüler geblieben. Grundschulen in gewissen Bezirken richten dort sogar schon Klassen mit "Deutsch-Garantie" ein, um so auch deutschsprechende Schüler zu bekommen. In Berlin stimmen die Eltern ja schon lange "mit den Füßen" ab, also durch Anmeldung an der jeweiligen Schule (auch wenn der Senat das mit allen Mitteln verhindern möchte). Ähnlich wird es auch in NRW laufen. Welche Eltern wollen ihre Kinder schon an Schulen haben, wo die Umgangssprache schlechtes oder gar kein Deutsch ist und wo kaum "beschulbare" Mitschüler jedes Lernen im Ansatz ersticken? Auch in NRW wird sich unter den Eltern schnell herumsprechen, was eine gute Sekundarschule ist und was nicht, nur dass man dann nicht mehr mit dem vorgeschobenen Argument "Hauptschule=Restschule" kommen kann.

  • M
    Monika

    Das ist für NRW doch sogar ein Rückschritt. Die mittlere Reife konnte man eh bisher schon lange an jeder Hauptschule machen ("10B") und auch die reinen Hauptschüler besuchten meist eine 10. Klasse ("10A"). Da ist wenig gewonnen durch Zusammenlegung mit der Realschule. Aber was wird nun aus den Gesamtschulen in NRW?! Wird die 5-10-Sekundarschule wirklich die einzige Schulform neben dem Gymnasium sein?

  • GM
    Gosig Mus

    Ein weiterer grüner Erfolg, der sich einreihen kann mit grüner Friedenspolitik, mit dem rot-grünen "Atomausstieg", dem Kraftwerk Moorburg, S21 -- hab ich noch was vergessen? Prinzipientreu bis zum Schluss. Oder bis es unbequem wird.