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Grüne KoalitionsspielchenAufruhr wegen Schwarz-Grün

Der Vorstoß von Bayerns Landeschef für mehr Offenheit in der Koalitionsfrage erntet bei den Grünen viele erboste Reaktionen.

Findet Schwarz-Grün eigentlich doof, schließt aber nicht alle Hintertürchen: grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt Bild: dpa

BERLIN taz | Anruf bei einem Parteiratsmitglied: „Eine Harakiri-Aktion.“ Anruf bei einem Bundespolitiker: „Wahlkampfschädigend.“ Anruf bei einem Landesvorsitzenden: „Ein Affront gegen den Landesverband Niedersachsen.“

Wenn Grüne über den Vorstoß von Bayerns Landeschef Dieter Janecek reden, kann es schon mal heftiger werden. Und sehr bezeichnend ist, dass sich kein Grüner mit solchen Einschätzungen namentlich zitieren lassen will.

Zunächst einmal muss man feststellen, dass Janeceks Einlassungen die Ökopartei in Aufruhr versetzt haben. Er hatte in der taz dafür geworben, nach der Bundestagswahl auch mit anderen Parteien Gespräche zu führen, falls es für Rot-Grün nicht reicht.

Dies sei eine demokratische Selbstverständlichkeit. „Unsere Wähler würden nicht akzeptieren, dass wir uns automatisch in die Schmollecke der Opposition zurückziehen“, analysierte Janecek. Ob es dann tatsächlich zu Schwarz-Grün käme, „hinge für uns davon ab, ob wir starke grüne Inhalte durchsetzen könnten“.

Dieses Plädoyer für Offenheit beschäftigte gestern prompt die Parteigremien. „Wenig hilfreich“, das sei die einhellige Einschätzung im Parteirat gewesen, berichteten Teilnehmer. Mit seinen Sätzen brach Janecek ein grünes Tabu. Die Parteiführung und die beiden SpitzenkandidatInnen Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt haben die Grünen auf eine Zusammenarbeit mit der SPD eingeschworen. Jedes Antippen anderer Optionen vergrault Wähler, lautet die Analyse. Dass Janecek sich kurz vor der wichtigen Niedersachsenwahl aus der Deckung wagte, machte die Sache nicht besser.

Für Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt war dies nicht die angenehmste Voraussetzung für eine Premiere. Sie bestritt gestern zum ersten Mal die routinemäßige Pressekonferenz nach den Gremiensitzungen, der Parteirat hatte extra ein Papier zu Landwirtschaft und Tierhaltung beschlossen, passend zum Agrarland Niedersachsen.

Hintertürchen zumachen

Und dann musste Göring-Eckardt vor allem Fragen zur Strategie der Grünen beantworten: Wie halten Sie’s mit Schwarz-Grün? Ihr gehe es im Gegensatz zu Janecek darum, Hintertürchen zuzumachen, sagte Göring-Eckardt. „Bei der Programmatik von Union und Grünen gibt es so wenig Übereinstimmungen, dass wir im Moment sagen, das können wir uns nicht vorstellen.“

Natürlich ließ sie sich mit solchen Sätzen dann doch wieder ein Hintertürchen offen: Weder Trittin noch sie selbst haben Schwarz-Grün bisher formal ausgeschlossen, und Göring-Eckardt tat es auch in dieser Pressekonferenz nicht. Die Vermutung, dass Trittin und sie ebenso wie Janecek im Fall des Falles mit anderen Parteien zumindest reden wollen, liegt also nahe. Sie sagen es nur nicht.

Strategisch noch nicht diskutiert

Je länger man mit Grünen über solche Dinge spricht, desto mehr entsteht der Eindruck, dass die Diskussion zwar krampfhaft unter der Decke gehalten wird, dort aber nicht mehr lange bleiben wird. „Was passiert, wenn Rot-Grün im September nicht klappt, ist in der Partei strategisch nicht diskutiert“, sagte ein hoher Funktionär.

„Auf Dauer wird sich das nicht unterdrücken lassen.“ Wenn Rot-Grün die Niedersachsenwahl verliere oder wenn die SPD im Bund wegen Peer Steinbrück weiter schwächele, werde man nicht mehr um die Strategiedebatte herumkommen. Vielleicht ist es also nur eine Frage der Zeit, dass anonyme Stimmen Klartext reden.

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11 Kommentare

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  • P
    petrakelly

    @ Volker Birk

     

    Wahrscheinlich hast Du recht.

     

    Wobei ich diese "linken Wähler", die nicht merken, was die Grünen seit über zehn Jahren für eine neoliberale Partei sind, echt für blöd halte.

     

    Ich bin immer fassungslos in Gesprächen mit zum Teil völlig beschränkt denkenden AkademikerInnen, die einfach nicht informiert sind, was für eine Politik die Grünen tatsächlich seit Jahren machen. Oder die es nicht begreifen. Bildung hat eben offenbar nichts mit Intelligenz zu tun.

     

    "sie haben Angst, die linken Wähler zu verlieren, die noch nicht gemerkt haben, dass die Grünen längst eine bürgerliche Partei geworden sind."

  • I
    ISI

    Göring - Eckhardt hat gemeinsam mit Trittin neoliberale Politik gemacht, indem sie als Fraktionsvorsitzedne der grünen Bundestagsfraktion unter Joseph Fischer damals Hartz Iv durchgesetzt hat und die Agenda 2010. Durch ihre asoziale Politik haben Trittin und sie die Armut in Deutschland nachhaltig vergrößert. Jetzt macht Göring-Eckhardt allen Ernstes einen auf soziale Politikerin. Das ist unerträglich.

     

    Die beiden sind total skrupellos. Sie haben im Profitointeresse der Arbeitgeber den Arbeitsmarkt dereguliert und im Profitinteresse der Banken, Hedgefonds usw. den Finanzmarkt dereguliert.

     

    Die ganze grüne Führungsriege ist seit 1998 neoliberal. Genau wie CDU, SPD und FDP.

     

    "Weder Trittin noch sie selbst haben Schwarz-Grün bisher formal ausgeschlossen, und Göring-Eckardt tat es auch in dieser Pressekonferenz nicht."

  • Z
    ZORRO

    Alle sind dafür, erst mal!

    kein Abzocken

    keine Umweltzerstörung

    keine Ungerechtigkeiten

    keine Steuern

     

    Der Herr Janecek macht`s vor!

    Der Unterschied zwischen den Parteien ist, sobald sie gewählt sind, machen ALLE das gleiche, egal mit wem, Hauptsache Machterhaltung. Dabei spielt der "Bürger" nur noch Statist, in dem Sinne wie,

     

    "Demokratie ist, wenn ihr macht was ich sage"!

     

    Wenn`s um die eigene Klientel geht, sind die guten Vorsätze dahin. Jeder ist eben da Anarchist, wo es ihm am Besten passt! Z

  • A
    andreas

    Die aktuelle CDU/CSU ist links von der Steinbrück SPD, was also liegt näher aus Sicht der Grünen eine Koaltion mit den einzugehen.

    Es wird am ENDE aber ohnehin eine große Koaltion geben. Mit der SPD als kleinen Juniopartner der CDU/CSU !

     

    P.S. In Sachen Kriegslust und Beschneidung der Arbeitnehmerrechte(HARTZ-IV) sind die Grünen sogar weit weit rechts der CDU/CSU !!!

  • A
    ant

    Die Grünen haben doch schon soviel über Bord geworfen?! Verstehe nicht warum die sich jetzt zieren.

    Und Gerhard Schröder , Peer Steinbrück u.s.w. mit denen haben die keine Probleme, oder was?

  • VB
    Volker Birk

    Nette Ablenkungsdiskussion.

     

    Schwarz-Grün ist schon passiert, nämlich in Hamburg. Und die Christlich Grüne Union unter Göring-Eckardt hätte mit ihren Christlichen Schwesterparteien wohl mehr Gemeinsamkeiten als mit sonst einer Partei.

     

    Angst haben die Grünen vorm restlinken Flügel der Partei. Nicht wegen den Delegierten, die sind ja brav dabei, sonst wären sie (wie so viele) längst aus den Grünen ausgetreten.

     

    Nein, sie haben Angst, die linken Wähler zu verlieren, die noch nicht gemerkt haben, dass die Grünen längst eine bürgerliche Partei geworden sind.

  • A
    axel

    Eins ist jedenfalls sicher: Sowohl die Grünen als auch die SPD halten sich zur wesensverwandten CDU hin koalitionsmäßig alle Optionen offen. Inhaltlich gibt es in der Sozial- und Wirtschaftspolitik (sowie der sog. Verteidigungspolitik)im neoliberalen Parteienblock seit der Agendapolitik von SPD-Grünen sowieso nur marginale Unterschiede, und mit der "bösen" Linken wird allenfalls spielerisch mal als Option gedroht.

    Die in der Einleitung erwähnten "erbosten Reaktionen" seitens der grünen Basis sind in möglichen Koalitionsverhandlungen schnell beiseite geschoben, siehe Hamburg oder Saarland (was scheren mich auch die Wahlaussagen von gestern).

    Wer grün wählt, hat eben schnell auch Schwarz an der Backe!

  • N
    Nochmal

    Wo ist noch mal der Unterschied außerhalb der Vorwahlenpapiere zwiscchen CDUSPDGRÜNELINKSPARTEI und CSUSPDGRÜNELINKSPATEI? Die FDP kann es nicht sein, die ist zum Glück nach der Wahl nicht mehr dabei. Das ist auch das Einzige was sicher ist.

  • M
    MEcker

    Das ist doch eine Geisterdiskussion. Sollte es im September für Rot-Grün nicht reichen, wird es mit absoluter Sicherheit nicht Schwarz-Grün, sondern Schwarz-Rot geben.

    Union und SPD stehen sich in fast allen Fragen sehr viel näher als Union und Grün, in vielem stimmen sie sogar fast wortwörtlich überein - und ohne die FPD wird das bei der Union noch deutlicher werden.

    Die Diskussion um Schwarz-Grün existiert doch vor allem darum, weil unionsnahe Journalisten glauben, dass das der CDU nutzt bzw. dass man so die Wählerwanderung von der Union zu Grün verringern kann. Die aber ist nicht durch eine vermeintliche Nähe zwischen Union und Grün zu erklären, sondern allein durch die Enttabuisierung von Grün in den entsprechenden (vor allem ländlichen) Wählerschichten z.B. durch den urkatholischen Kretschmann. Die grünen Themen und Statements waren diesen Wählern schon lange näher als die der CDU, die sich immer weiter von ihren Stammwählern entfernt hat, es war nur undenkbar, was anderes zu wählen. Das ist es, was sich geändert hat - nicht die Grünen und nicht die CDU.

  • C
    chris

    dass so jemand wie der herr janecek, der keine anderen perspektiven hat, als politik zu machen und da mit allen möglichen "machenschaften" agiert um etwas zu werden verwundert niemanden, der die szene kennt.

  • OZ
    o zapft es

    oder: CDU, CSU und die Grünen?