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Grüne FDP?

Das Regierungsprogramm von AL und SPD ist nicht das Problem, sondern das Regieren selbst  ■  K O M M E N T A R

Das rot-grüne „Sachprogramm“ ist von der Verhandlungskommission verabschiedet - mit tonloser Befriedigung von seiten der SPD, mit offiziösem Zähneknirschen von seiten der AL. Bedauerlich, daß beide Parteien sich nicht zu einem Signal des Optimismus zusammenfanden. Das umfangreichste Reformprogramm der Nachkriegsgeschichte hätte es erfordert. Leicht vorauszusagen: Bei der AL hat jetzt die Stunde der linken BeckmesserInnen geschlagen. Sie werden die Dissenspunkte als Reliquien der verlorenen Unschuld einschreinen. Das wird böse Stimmung machen, zu der überhaupt kein Anlaß besteht. Aus vielerlei Gründen: Das Koalitionsprogramm fordert mit wünschenswerter Deutlichkeit eine Demokratisierung der Politik und eine demokratische Kontrolle des Verfassungsschutzes. An Reibungspunkten mit den Alliierten mangelt es nicht.

Daß die AL ihre Identitätspunkte nicht rübergebracht hat, lag weniger an der fehlenden Härte beim Pokern, sondern an einer grundsätzlichen Schwäche: Die SPD verhandelte - ob richtig oder falsch - im Namen der Berliner und im Namen einer politisierten, mißtrauischen Stadt; die AL verhandelte nur im Namen ihrer Basis. Gewiß, die AL hat ihre Unschuld verloren, allerdings an die Realität und nicht an die SPD. Daß sie jetzt stöhnt, liegt eher an ihrer linksamtlichen Radikalität. Ihr prinzipieller Verratsverdacht gegen SPD und parlamentarische Mehrheiten nährte paradoxerweise die absurde Hoffnung, man könne bei einer „Jahrhundertchance“ gleich die alternative Zukunft vertraglich verändern.

Das Programm ist nicht das Problem, sondern das Regieren selbst. Ganz abgesehen vom Sparhaushalt, von der Unterfinanzierung der ökologischen Wende, von den mangelnden Flächen für die jährlich 7.000 Wohnungen muß diese Koalition gegen die Trägheit und die schon angekündigte Sabotage des eigenen Behördenapparates anregieren. Die AL kann da nicht die grüne FDP spielen, die Profilierungsneurose schon für Politik hält. Selbst bei so selbstverständlichen Programmpunkten wie der Integration von Ausländern und Behinderten hilft es wenig, daß die Behörden verordnen. Die Leute müssen überzeugt werden, und sie werden am besten durch eine überzeugende Regierung überzeugt. Bis jetzt jedenfalls ist der sozialdemokratische Opportunismus gegenüber dem Mißtrauen der Stadt noch politisch richtiger als das tiefe Vertrauen der AL auf die Richtigkeit ihrer Überzeugung.

Wenn die AL nicht ihr alternatives Ghetto verläßt, sich nicht offensiv in den Politisierungsprozeß der Berliner auch die Erregung über das rot-grüne Chaos ist Politisierung - einmischt, dann wird die Grundlage für eine alternative Politik fehlen, auch wenn sie noch so schön auf dem Papier formuliert ist. Momper und sein Schattenkabinett ziehen schon seit Wochen durch die Markthallen und vor die Hertie -Eingänge, eine Praxis, die den SPD-Unterhändlern nicht zuletzt einen Platzvorteil verschafft hatte. Ströbeles Satz, die AL sei zum Erfolg verdammt, ist vollkommen richtig. Aber es ist eine Verdammnis der Mühe und nicht der Seelen.

Klaus Hartung

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