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Grün trauert Rot nach

■ Nur der SPD-Parteivorsitzende Oskar Lafontaine sah keinen Anlaß, sich um seine Partei zu sorgen: "Ein Erfolg."

Wer nach den Landtagswahlen in Rheinland- Pfalz, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein die SPD als großen Verlierer sah, wurde vom Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine gestern mittag in Bonn eines Besseren belehrt. Tenor seiner Interpretation: Es war nicht nur nicht so schlimm, sondern – bis auf Baden- Württemberg – ein „Erfolg, der vor einigen Monaten noch nicht zu erwarten war“.

Lafontaine rechnet sich das Wahlergebnis schön

Sein Trick ist simpel: Nicht die vorangegangenen Wahlergebnisse in den einzelnen Ländern werden zugrunde gelegt, sondern die Ergebnisse der Bundestagswahl von 1994. Er habe schon im Vorfeld der Wahlen gesagt: „Wenn wir das Bundestagsergebnis erreichen, ist das ein guter Erfolg“, erzählte Lafontaine vor versammelter Presse. Und nun sei dieser „gute Erfolg“ in Rheinland-Pfalz und Schleswig- Holstein „sogar knapp übertroffen worden“, lobte er sich und seine Genossen und Genossinnen, ohne auch nur daran zu erinnern, daß Heide Simonis in Kiel die absolute Mehrheit eingebüßt hat und daß in Rheinland-Pfalz Kurt Beck mehr denn je ein Ministerpräsident von (wirtschafts)liberalen Gnaden sein wird.

Nur das unübertroffen schlechte 25-Prozent-Ergebnis von Baden-Württemberg stimmte ihn unzufrieden. Es gebe aus einer großen Koalition heraus halt immer ein „Mobilisierungsdefizit der eigenen Anhängerschaft“ und die Auseinandersetzungen in der rot- grünen Koalition in Nordrhein- Westfalen hätten zu einer Belastung des Wahlkampfes von Spitzenkandidat Dieter Spöri geführt.

Spöri hatte sich als einziger der drei Spitzenkandidaten für eine rot-grüne Option ausgesprochen. „Da müssen sich manche Grüne in NRW fragen, inwieweit ihr Verhalten Rot-Grün Schaden zugefügt hat“, schimpfte Lafontaine gestern. Daß die von ihm und Spöri gemeinsam losgetretene Aussiedlerkampagne zu dem miesen Ergebnis geführt haben kann, hält der Parteivorsitzende für eine „sehr kühne Schlußfolgerung“.

Was blieb den drei Spitzenkandidaten, Simonis, Beck und Spöri, nach soviel Schönfärberei anderes übrig, als brav die Unterstützung durch die Bundespartei, besonders durch Lafontaine und Scharping, zu loben und pflichtgemäß darauf hinzuweisen, daß die Rahmenbedingungen für die Landtagswahlen durch die Abwahl von Scharping und die Wahl Oskar Lafontaines zum Parteivorsitzenden sehr viel besser geworden seien? Doch so positiv Oskar Lafontaine, wie auch schon am Wahlabend SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering, das Ergebnis auch verkaufen will – viele in der Partei erkennen eine deutliche Schlappe für die Sozialdemokraten.

Mit ungläubigen Blicken hatten Mitarbeiter im Erich-Ollenhauer- Haus am Sonntag abend die Ergebnisse verfolgt. Frustriert stellte man fest, daß die Bonner Koalition neue Stabilität gewonnen hat und eine große Koalition von den SPD- Wählern nicht belohnt wird. Hinter vorgehaltener Hand wird auch seit gestern verstärkt darüber geklagt, daß Lafontaines Wahl nicht zu dem gewünschten Auftrieb geführt habe. Anders als Lafontaine verlangte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Herta Däubler- Gmelin gestern, daß über Strategien und Ziele der SPD neu nachgedacht werden müsse. Ohne den Parteivorsitzenden beim Namen zu nennen, warf sie SPD-Mitgliedern einen „gnadenlosen Opportunismus im baden-württembergischen Wahlkampf“ vor. Auch die SPD-Innenpolitikerin Cornelie Sonntag-Wolgast sagte gestern, sie halte „nichts von Schönfärberei“.

„Jetzt muß Rot erst mal klären, was Rot ist“

Dieser Ansicht ist auch der Kölner Bundestagsabgeordnete Konrad Gilges. Die Aussiedlerdebatte sei die „total falsche Strategie gewesen, kritisiert er. In Köln habe dies sogar zu Parteiaustritten geführt, erzählt der Gewerkschaftsmann, der auch dem linken Frankfurter Kreis der SPD angehört. Auch die Diskussion um die Europäische Währungsunion hält Gilges für schädlich. „Man kann sich nicht 130 Jahre als Internationaler und Europäer ausgeben, und wenn es ernst wird, sind wir nicht mehr dabei.“ Bundespolitisch müsse das Profil der Partei weiter geschärft werden.

Mehr Profil klagte gestern auch die Juso-Vorsitzende Andrea Nahles ein. „Nachdem die personalpolitische Klärung erfolgt ist, muß nun auch in Sachfragen Tacheles geredet werden!“ forderte die Lafontaine-Anhängerin. Rot-Grün ist für sie immer noch eine Perspektive, doch lehnt sie es ab, daß sich die Sozialdemokraten nun auf diese Bündnis festlegen: „Erst einmal soll Rot klären, was Rot ist: inhaltlich und strategisch.“

Die Bündnisgrünen sehen nach den Wahlergebnissen keinen Fortschritt für das rot-grüne Reformprojekt. „Das eigentliche Dilemma ist der Ausfall der SPD“, beklagte gestern Bundessprecherin Krista Sager, die aber auch nicht müde wird, die Zugewinne ihrer Partei bei den Landtagswahlen zu loben. Doch bei den meisten Grünen ging gestern der Frust um. Schließlich nutzen die eigenen Erfolge reichlich wenig, wenn die SPD sich nicht schleunigst berappelt und deutlich in der Wählergunst zulegt. Karin Nink, Bonn

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