■ Flugtickets für Politikerehefrauen sind leicht erschwindelt. Schwerer haben es allein erziehende Mütter, die ihre Sozialhilfe durch Putzengehen aufbessern: Großzügigkeit für alle
betr.: Bonus-Meilen
Politiker sind arme Sünder. Deshalb legen sie schwarze Kassen an und verfliegen privat dienstlich angesammelte Bonusmeilen. Da geht es anderen Gruppen schon besser: Manager in Unternehmen und Banken erhalten millionenschwere Abfindungen. Ihre Angestellten immerhin noch günstige Kredite und ebenfalls den Segen, Dienstautos und Bonusmeilen auf Kosten der Firma privat zu nutzen. Ärzte und Pharmazeuten lassen sich mitsamt Belegschaft in Nobelrestaurants verköstigen und Journalisten werden sogar im Internet auf umfangreiche Vergünstigungen beim Kauf von Autos, Handys und Reisen hingewiesen. Und Otto Normalbürger nutzt beim Einkauf die Metrokarte seines Nachbarn und beschummelt wie alle das Finanzamt. Finanziert wird das Ganze über Steuern, Gebühren und Kundengelder. Daher meine Forderung:
Nicht die Volksvertreter, das ganze Volk muss zurücktreten! Und wer hier ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Andernfalls schweige er und trete zurück.
TORSTEN KRAM, Oppenheim/Rhein
In meiner Naivität dachte ich bei diesem „more“ immer an more Luftverschmutzung, an more Lärm, an more Kerosin auf unsere Köpfe und dergleichen mehr. Trotzdem geht es nicht in meinen Kopf, dass jemand, der viel mit einem der ökologisch schlechtesten Verkehrsmittel unterwegs ist, auch noch mit „Freiflügen“ für sein „umweltbewusstes“ Verhalten belohnt wird.
Es ist höchste Zeit, dass zum Beispiel das Kerosin gleich hoch besteuert wird wie das Benzin oder andere Kraftstoffe, mit denen wir unsere „Mobilität“ erhalten wollen. Dass die Bahn, anstatt einer Fluggesellschaft, diese anbietet, darauf werden wir noch bis zum St. Nimmerleinstag warten müssen.
JÜRGEN TURBANISCH, Frankfurt/Main
Wie viel kostet uns diese Debatte um die Freiflugmeilen unserer Politiker und die daraus resultierenden Rücktritte? Gewiss, die Nutzung der dienstlich angesammelten Freiflugmeilen für private Zwecke widerspricht der selbst auferlegten Vorgabe, diese nur für Dienstflüge zu nutzen.
Aber muss deshalb ein Parlamentarier gleich zurücktreten? Wie viel kostet uns so ein Rücktritt: Abfindung, Neueinstellung, Einarbeitung usw.? Ganz zu schweigen von der temporären Führungslosigkeit und der anschließenden Neuorientierung der entsprechenden Organisation. Ich plädiere dafür, dass die erzielten finanziellen Vorteile, die einige Politiker durch die private Nutzung der Freiflugmeilen hatten, an den Staat zurückgezahlt werden und nicht mehr. Denn Rücktritte sind als Reaktion in diesem Fall völlig übertrieben und kosten uns Steuerzahlern außerdem viel zu viel. […] MICHAEL WINGENFELD, Regensburg
betr.: „Kein Skandal – aber merkwürdig“, taz vom 3. 8. 02
In unserem Unternehmen hat einmal vor Jahren ein Mitarbeiter eine Reisekostenerklärung willentlich und wissentlich falsch abgegeben. Sein Gewinn betrug 32 DM. Darauf angesprochen, versuchte er, den Vorgang nicht aufzuklären, sondern durch weitere unwahre Angaben zu vertuschen. Anschließend durfte er seinen Schreibtisch unter Aufsicht aufräumen und die Büroschlüssel abgeben. Fristlose Entlassung. Unehrliche Mitarbeiter sind in Vertrauenspositionen nicht tragbar. Der Unterschied zum Parlamentarier mag darin liegen, dass sie ihr Mandat vielleicht nicht mehr als Vertrauensposition verstehen?
Apropos fristlose Entlassung: es täte dem Bundestag und seinem Reformbedarf vielleicht gut, wenn alle – aber auch wirklich alle, die derartige Selbstbereicherung betrieben haben, im neuen Bundestag nicht mehr vertreten wären. Eingewechselte Ersatzspieler im Sport wie im Theater bringen oft überdurchschnittliche Leistungen. Das könnte auch der Bundestag einmal brauchen.
RAINER V. ZUR MÜHLEN, Bonn
betr.: „Ein abgekartetes Spiel?“, taz vom 1. 8. 02
Das ist nicht ohne Witz: Jürgen Trittin verfügt über private Bonusmeilen, was ihn von dem Vorwurf entlastet, dienstliche Bonusmeilen zweckentfremdet zu haben. Es gibt Ökobilanzen, die verschiedene Mobilitätsformen bewerten. Es gibt Forschungsprojekte, die die Wirkung des Flugverkehrs auf die Atmosphäre belegen. Jeder Mensch (der taz liest) weiß, dass als nachhaltiges Verkehrsmittel allenfalls die Bahn in Frage kommt. Aber der grüne Umweltminister ist ein Vielflieger nicht nur von Amts wegen, sondern auch privat, und es ist ihm nicht einmal peinlich. […]
DAGMAR PATTLOCH, Berlin
Natürlich sind die Vorkommnisse – gemessen an echten Korruptionsfällen – Lappalien. Einen Rücktritt von irgendwelchen politischen Ämtern muss nicht die zwangsläufige Folge sein. Sind diese kleinen Bereicherungen doch hierzulande gang und gäbe, wie jeder Sachbearbeiter im Finanzamt oder einer (Reisekosten-)Buchhaltung wissen dürfte. Die betroffenen Politiker, ihre Parteichefs und die Kommentatoren weisen da zu Recht darauf hin.
Nur sollten sie doch allesamt die gleiche Großzügikeit, die sie nun anmahnen, auch gegenüber der allein gelassenen Mutter gelten lassen, die ihre Sozialhilfe durch Putzengehen ein wenig aufbessert, um ihren Kindern auch einmal etwas zukommen zu lassen. Und sie nicht gleich kriminalisieren (Stichwort „Sozialbetrug“). Die paar erputzten Euros sind schwerer verdient als das erschwindelte Ticket für die Politikerehefrau. EBERHARD WALDE, Trebel
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