Große Ferien in Hamburg: Zeltlager entfällt
Wegen Corona ist nun auch noch das Angebot für Kinder im Sommer eingeschränkt. Die Schulbehörde plant „Lernferien“, die Linke will „wirkliche Ferien“.
Hamburg taz | Für die meisten Schüler findet bis zu den Sommerferien keine richtige Schule statt. Doch auch die Ferienangebote fallen dieses Jahr schmal aus. Zeltlager und Jugendreisen wurden zuhauf abgesagt. Und der „Hamburger Ferienpass“, ein Programmheft mit Angeboten für Kinder in der Stadt, hat bislang nur ein Viertel des üblichen Umfangs.
Die Linke fordert, die Stadt solle behördenübergreifend ein Programm auflegen und die Regeln lockern, damit Kinder „wirkliche Ferien“ bekommen. Auch SPD und Grüne legen einen Antrag vor, in dem sie „coronabedingte Sommerangebote“ fordern. Dabei denken sie aber an „Lernangebote zur Wiederholung des Lernstoffs des letzten Halbjahres.“
Die Schulbehörde plant nun „Hamburger Lernferien 2020“ für Kinder in „schwierigen sozialen Lagen“. Laut einem Brief des Landesschulrats sollen die Kinder am Ende der Ferien zwei Wochen für 15 Unterrichtsstunden zur Schule kommen und unter Aufsicht von Honorarkräften der Volkshochschule Lernmaterial bearbeiten.
Üblicherweise bietet Hamburg Ferien- und Erholungsreisen für Kinder an, die nicht mit ihren Eltern wegfahren. Über 90 Reisen enthielt der Katalog des „Jugendinformationszentrums“ (JiZ). Doch in diesem Jahr könne man wegen Corona keine Gewähr für die Gültigkeit der Angebote übernehmen, heißt es auf der Homepage.
Digitales Zeltlager als Ersatz
Der größte Anbieter, das Jugenderholungswerk, das sogar Urlaub in Puan Klent auf Sylt ermöglicht, hat die meisten Reisen abgesagt. „Für unsere Sommerreisen gelten die Regeln der offenen Kinder- und Jugendarbeit“, sagt Geschäftsführer Carsten Wode. Das bedeute, dass Gruppen von maximal 15 Menschen zusammen sein dürfen, die durchgängig 1,5 Meter Abstand halten müssen. „Das ist bei Fernreisen nicht möglich“, sagt Wode. Man wolle auch nicht den ehrenamtlichen Betreuern zumuten, „Abstandswächter“ zu sein.
Nur für Kinder aus Wohngruppen der Jugendhilfe, die ohnehin in einem Haushalt leben, seien Reisen möglich. „Die können über uns fahren“, sagt Wode. Statt der üblichen 750 Kinder würden so eventuell noch 200 mit dem Werk in den Urlaub fahren.
Abgesagt hat auch das Harburger Jugendrotkreuz seine Zeltreisen an die Flensburger Solitüde. Stattdessen versuche man ein „digitales Zeltlager“ anzubieten, berichtet Organisator Jörg Neumann. Man werde den Kindern Spielanleitungen geben oder vielleicht eine kleine Stadtreise organisieren.
„Wir haben unsere Sommerreise gerade abgesagt“, sagt auch Völker Vödisch vom Abenteuerspielplatz Am Brunnenhof. Normalerweise wäre das Team mit 20 bis 25 Kindern für 13 Tage an einen mecklenburgischen See gefahren. Die dortige Herberge lässt auch Jugendreisen bereits wieder zu. Doch in Hamburg gelten noch strengere Regeln.
Der Abenteuerspielplatz will stattdessen nun kleine Ausflüge machen und, wenn erlaubt, den selbstgebauten Pool füllen. „Wir hätten uns wirklich gewünscht zu fahren“, sagt Vödisch. „Den Kindern tut es gut. Sie brauchen die Möglichkeit, mal rauszukommen aus der Stadt.“ Auch kämen sie meist „sehr gelöst wieder nach Hause, weil sie viel voneinander lernen“.
Die Herberge in Mecklenburg lässt Jugendreisen bereits wieder zu, doch in Hamburg gelten strengere Regeln
Das Problem: Die aktuelle Rechtsverordnung des Senats, die die 1,5 Meter Abstand für die Jugendarbeit festlegt, gilt vorerst bis zum 30. Juni. Die Linke fordert in ihrem Antrag, diese Kontaktbeschränkungen zum Ferienbeginn am 25. Juni zurückzunehmen. Aus der Gesundheitsbehörde heißt es, man prüfe laufend Lockerungen. Für eine Anpassung der Verordnung, die Ferienreisen ermöglichte, könne man aber ein konkretes Datum „aktuell nicht nennen“.
Ein Trost: Die Schulbehörde will nun immerhin mit der Sozialbehörde gemeinsam an einem Ausbau der Angebote für den „Ferienpass“ arbeiten und diese am 15. Juni offiziell vorstellen. Der sonst als Broschüre gedruckte Pass war am 2. Juni in abgespeckter Version nur online erschienen und enthielt nicht einmal die Schwimmbäder.
Schon recht konkret sind die Pläne für die „Lernferien“, für die jede Schule nun Kinder empfehlen soll. Die Teilnahme soll „grundsätzlich freiwillig“ sein, die Anmeldung aber „verbindlich“. Das Thema wird am Mittwoch in der Bürgerschaft debattiert. Die Linke lehne es ab, „allein auf das schulische Lernen zu setzen“, sagt deren Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus. „Das hat den Charakter von Nachsitzen in den Ferien.“
Leser*innenkommentare
Andreas_2020
"Auch SPD und Grüne legen einen Antrag vor, in dem sie „coronabedingte Sommerangebote“ fordern. Dabei denken sie aber an „Lernangebote zur Wiederholung des Lernstoffs des letzten Halbjahres."
Ja, tolle Idee. Wer hat sich das bloß ausgedacht?
Nachdem die Eltern als Ersatzlehrer wochenlang eine Zwangsbeschulung, Kontrolle und Vorbereitung auf Klassenarbeiten durchgezogen haben, freilich nicht alle, ich bin Woche 3 gescheitert, soll dieses Irrenhaus 'freiwillig' in den Sommerferien weiter betrieben werden?
Nachdem unsere Kinder ihre Geburtstage ohne Freunde, ihre Tage ohne ihre Kurse und im Freien lange ohne Spiel- und Sportplätze verbracht haben, sollen die Kinder weiter lernen. Schlauer werden, sich warm laufen für Gymnasium und Stadtteilschule? Das ist dermaßen weltfremd und behämmert, mir fehlen die Worte. Angeblich will die Politik Kinderrechte stärken und die Mitsprache von Kindern fördern und ausbauen, nun sollen Kinder von ihren Eltern in den großen Ferien beim Lernen attakiert werden?
Was ist denn so schwer daran, Kinder zu verstehen? Die brauchen Ferien, wenn schon ohne Urlaubsreisen, dann doch bitte echten Spaß, am besten mit anderen Kindern und nicht irgendein Nachholprogramm.
Und wer schafft das bitte, seine Kinder in den großen Ferien auf eine Nachholspur zu bringen. So wie das konstruiert ist, nützt es nur Bildungsbürgern mit einem guten Einkommen. Na gut, vielleicht auch dem einen oder anderen arbeitslosen Akademiker, aber grundsätzlich riecht diese Idee nach sozialer Sortierung.
Die Stadt müsste doch jetzt erst recht für tolle Angebote gerade für die Menschen aus den schwierigen Stadtteilen sorgen. Müsste doch dort spielerisches, einfaches Lernen fördern, anstatt Durchhalteparolen, Propaganda und dann auch noch nicht nachvollziebare Lernschleifen zu konstruieren. Hamburg hat ein gutes Sommerprogramm - 2020 sollte man sich richtig reinhängen und dies noch ausbauen. Das wäre mein Vorschlag! @SATTOM
06360 (Profil gelöscht)
Gast
@Andreas_2020 Ich denke, niemand möchte Ihren Kindern Ferien (mit Ihnen) nehmen.
Mir schweben Angebote wie das der "Arche" vor, die neben Essen, Spiel eben auch so etwas wie Nachhilfe beinhalten.
Da werden Sie Ihre Kinder nicht hinschicken, ist schon klar.
Aber für die Zielgruppe wäre es hilfreich, wenn auch Schulen solche Angebote machten.
Andreas_2020
@06360 (Profil gelöscht) Das sehe ich ganz anders. Meine Kinder wohnen nicht in Wandsbek warum soll ich sie dahin bringen? Aber es gab und gibt ein gutes Programm im Sommer (Kreis Mitte) und es gab und gibt auch Möglichkeiten für Kinder, aber da werden Sie vermutlich ihre Kinder auch nicht teilnehmen lassen, schade aber auch.
06360 (Profil gelöscht)
Gast
@Andreas_2020 Da Sie in ganzen Sätzen antworten, nehme ich an, dass Sie "Arche" als Vorbild/Beispiel für die "Behörde" hätten erkennen können; ohne lokalen Bezug.
Ich wünsche Ihren Kindern und Ihnen nur das Beste.
06360 (Profil gelöscht)
Gast
Buchferne Haushalte waren/sind in der Krise (verstärkt durch Maßnahmen) benachteiligt.
Nun bietet die Behörde gerade jenen eine Hilfe an und wird dafür von links gescholten.
Einfach nur meckern scheint leichter zu sein, als bessere Vorschläge zu machen.