Große Elektronikmärkte in der Krise: Geiz ist geil ist vorbei
Bei Media-Saturn läuft es miserabel. 3.000 Stellen werden gestrichen, der Konzern ist erstmals in den roten Zahlen. Das liegt auch daran, dass man das Netz verschlafen hat.
BERLIN taz | Kaum ein Konzern hat in den vergangenen Jahren so aggressiv mit niedrigen Preisen geworben wie Media-Saturn. Der Aufstieg zu Europas größter Elektronikmarktkette legt nahe, dass diese Strategie bei vielen Konsumenten ankam.
Nun aber scheinen die fetten Jahre für Media Markt und Saturn vorbei zu sein. Erstmals rutscht das Unternehmen in rote Zahlen.
Der Mutterkonzern Metro hat angekündigt, dass er bei Media-Saturn in den kommenden Jahren europaweit rund 3.000 Stellen einsparen wird. Mit einem Verlust von 44 Millionen Euro fiel Media-Saturn im zweiten Quartal unter die Erwartungen des Kapitalmarktes. Im Vorjahreszeitraum gab es noch einen operativen Gewinn von 41 Millionen Euro. Vor allem durch Stellenstreichungen im Verwaltungsbereich will Metro bis 2014 insgesamt 500 Millionen Euro einsparen. Für das dicke Minus macht Media-Saturn vor allem den starken Umsatzrückgang in Deutschland und den allgemeinen Preisverfall von Elektronikartikeln verantwortlich. Auch der Expansionskurs lief zuletzt schlecht: Die 35 defizitären Filialen in Frankreich hat Media-Saturn mittlerweile verkauft, in China muss der Konzern Ablaufverluste hinnehmen.
Media-Saturn online bisher kaum präsent
Umso stärker drängt es Media-Saturn in den Onlinevertrieb. Das ist auch bitter nötig. Die Unternehmensberatung Ernst & Young rechnet damit, dass sich der Anteil des Internethandels von Elektronikartikeln in den nächsten fünf Jahren verdoppeln wird. "Diese Entwicklung trifft gerade stationäre Händler", glaubt Hendrik Gottschlich von der Unternehmensberatung Ernst & Young. Bislang war Media-Saturn online aber kaum präsent.
Olaf Koch, Finanzchef der Metro-Gruppe, räumt unterdessen Versäumnisse ein. "Wir wissen, dass wir spät kommen", sagte Koch. "Wir kommen aber nicht zu spät." Im Oktober will Saturn seinen Onlineshop eröffnen, im Januar 2012 soll dann auch Media Markt folgen. Auch die Aktivitäten der auf den Internetvertrieb spezialisierten Firmentochter Redcoon möchte Media-Saturn verstärken. Bis 2015 will sie europaweit Marktführer im Online-Handel werden.
Preise lassen sich online besser vergleichen
Das Konsumverhalten hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Insbesondere beim Kauf von Fernsehern, Computern oder Kameras würden sich die Leute heutzutage inzwischen überwiegend übers Internet informieren, sagt Gottschlich. In Onlineshops ließen sich Preise und Anbieter sehr viel besser vergleichen. Nur noch zur Beratung würde man ein Geschäft aufsuchen, so Gottschlich. Vor allem der Preisvergleich sei ausschlaggebend. Beim Ernst-&-Young-Handelsbarometer vom April gaben 80 Prozent der befragten VerbraucherInnen an, dass der Preis kaufentscheidend gewesen sei. Nur 34 Prozent hätten Wert auf Service und Beratung gelegt.
Damit könnten sich die Zeiten, in denen Elektronikmärkte auf großer Fläche ihre Produkte zu Niedrigpreisen anbieten, schon bald dem Ende zuneigen. Mit diesem Konzept hatten sie vor 20 Jahren die Geschäfte des traditionellen Elektrofachhandels verdrängt. Nun droht den Elektrogroßmärkten ein ähnliches Schicksal. Gottschlich: "Dass nun die Welle mit dem Internetvertrieb kommt, ist sicher."
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