Großdemonstration in Berlin: Anschreien gegen den Krieg
In Berlin gehen Hunderttausende gegen den Ukraine-Krieg auf die Straße. Nicht alle dort finden, dass Waffenlieferungen tabu sein sollten.
![Peace" steht in großen Buchstaben auf der Straße des 17. Juni Peace" steht in großen Buchstaben auf der Straße des 17. Juni](https://taz.de/picture/5418258/14/29608881-1.jpeg)
Zu der Friedensdemo hatte ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Vereine und Verbände aufgerufen, darunter die Bürgerbewegung Campact, Greenpeace, die Seebrücke, Verdi und die Gewerkschaft der Polizei. Gemeinsam fordern sie die russische Regierung auf, „alle Angriffe einzustellen, sich aus der Ukraine zurückzuziehen und deren territoriale Integrität wiederherzustellen“.
Bevor die Kundgebung beginnt, spielt eine Band. Sie singen von Panzern. Eine Gruppe junger Studierender aus der Ukraine schreit gegen den Gesang an: „Musik aus! Wir haben Krieg!“ Eine der jungen Frauen hat Tränen in den Augen, als sie sagt: „Unsere Familien sterben zu Hause und sie spielen hier Musik. Das ist kein Fest.“
Sie hätten versucht, ihre Familien zu überreden, nach Deutschland zu kommen, „aber sie wollen zu Hause bleiben und unsere Heimat verteidigen“. Ihre Freundin zeigt auf ihr Plakat: „Heute wir, morgen ihr“. Die Gruppe bahnt sich einen Weg nach vorne durch die Menge, um weiter gegen die Band anzuschreien.
Importstopp für Öl und Gas gefordert
Christoph Bautz von Campact ist sich sicher, dass Putin die öffentliche Meinung in Europa interessiere. Diese zu beeinflussen sei ein Ziel seiner Politik gewesen. Diese Demonstration, an der die breite Bevölkerung teilnehme, sei daher „ein Desaster“ für Putin. „Er wird merken, dass die Menschen in ganz Europa gegen diesen völkerrechtswidrigen und imperialen Angriffskrieg aufstehen.“
Auch Alexander Lurz von Greenpeace glaubt an die Wirkmächtigkeit der Demonstration. Der Abrüstungsexperte weiß, dass Kriege nicht enden, weil die letzte Patrone verschossen ist. „Kriege enden dadurch, dass der moralische Druck hoch wird, das Leid der Opfer zu sehr gesehen wird“, sagt er. Diesem Druck könne sich auch die russische Führung nicht entziehen.
Bautz fordert zudem weitere Sanktionen: einen Importstopp von Kohle, Öl und Gas. Auch wenn das für Deutschland massive Konsequenzen habe. „Das sollte uns die Freiheit, unsere Werte und das Leben der Ukrainer:innen Wert sein“, sagt Bautz.
Waffenlieferungen in Krisengebiete steht das Friedensbündnis allerdings kritisch gegenüber. Es gebe das Selbstverteidigungsrecht, weshalb er die Entscheidung der Bundesregierung, Waffen in die Ukraine zu liefern, nachvollziehen könne. „Als Friedensbündnis sind wir aber der Meinung, dass mehr Waffen einen Konflikt auch anheizen können.“
Unter den Demonstrierenden teilen nicht alle diese Meinung. Ein Mann erzählt, dass er zwar Teil der Ostdeutschen Friedensbewegung gewesen sei und deswegen in der DDR im Gefängnis gesessen habe, aber trotzdem störe ihn nun das „Wischi-Waschi“ der Friedensbewegung. „Immer dieses Glaube daran, dass Waffen nicht die Lösung sind“, schnaubt er, „erzähl das jetzt mal den Ukrainern“.
Die in der Ukraine geborene Aktivistin Oleksandra Bienert sieht das ähnlich: „In der Ukraine wird der Frieden gerade nicht mit Gebeten verteidigt. Deshalb stehe ich heute auf einer Friedensdemo und fordere Waffen.“ Sie spricht auf der Bühne vor der Siegessäule und fragt, warum Deutschland blind gegenüber dem russischen Imperialismus gewesen sei. „Viele meiner deutschen Bekannten haben gesagt, der Krieg kommt so überraschend. Aber er kommt nicht überraschend.“ Diese Demonstration hätte schon 2014 stattfinden sollen, als Russland die Krim annektierte und einen Krieg in der Ostukraine begann.
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