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Großbritannien geht auf Abrüstung zu

■ Briten deuten Einbeziehung ihrer Atomwaffen in zukünftige Abrüstungsverhandlungen an / Verteidigungsausgaben sollen nächstes Jahr verringert werden

London (dpa/taz) - Zum ersten Mal hat Großbritannien eine Einbeziehung seiner Atomstreitkräfte in zukünftige Abrüstungsverhandlungen angedeutet. In einem am Montag veröffentlichten Weißbuch des britischen Verteidigungsministeriums heißt es zwar vorsichtig: „Verringerungen im strategischen Arsenal der USA und der Sowjetunion müssen noch viel weiter gehen, bevor wir auch nur daran denken können, die britische Abschreckungswaffe in zukünftige Verhandlungen über strategische Nuklearwaffen einzubeziehen.“ Bisher war jedoch eine solche Beteiligung ausgeschlossen worden.

Das Verteidigungsministerium erwartet eine allmähliche Veränderung und Umgestaltung der Militärstruktur Westeuropas. Ein grundsätzlicher Wandel oder eine drastische Verringerung der Streitkräfte anläßlich der Umwälzungen in Osteuropa wird in dem Papier aber weiterhin ausgeschlossen. An den Plänen, die Polaris-Atomraketen bis Mitte der 90er Jahre durch das U-Boot-gestützte Trident-Waffensystem zu ersetzen, wird festgehalten. Auch der erfolgreiche Abschluß der Verhandlungen über die strategischen Waffen (START) werde die Notwendigkeit für die Trident-Waffe nicht aufheben, heißt es ferner in dem Dokument.

Das Verteidigungsministerium hält an der gegenwärtigen NATO -Strategie der flexiblen Antwort (flexible response) als bester Verteidigungsstrategie fest, auch wenn sich die Größe der Streitkräfte geringfügig verringern könnte. Das Schwergewicht der britischen Streitkräfte soll sich in Zukunft von der „mittleren Front“ in Deutschland auf die Marine verlagern, die weltweit stationiert und einsatzfähig ist.

Zum ersten Mal werden die Mittel für die in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte im kommenden Finanzjahr verringert. Sie sinken von 4,3 Milliarden Pfund auf 4,1 Milliarden Pfund (11,3 Milliarden DM). Dagegen steigen die Ausgaben für die Marine von 2,5 auf 2,6 Milliarden Pfund.

Der Militärhaushalt von insgesamt 21 Milliarden Pfund ist im laufenden Finanzjahr real etwas höher als im vergangenen Jahr. 1990 soll er real um drei Prozent fallen. Damit würde er zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg bei weniger als vier Prozent des Bruttosozialprodukts liegen. 1989 hatte Großbritannien prozentual den drittgrößten Rüstungshaushalt der NATO. Eine höher als erwartete Inflationsrate hat die Regierung gezwungen, bei den Rüstungsaufträgen einen restriktiven Kurs zu fahren. Das Verteidigungsministerium erklärte, mit der Ausgabenreduzierung würden die Ausgaben wieder auf das Noveau von 1988 zurückgehen. Die derzeit laufende Umstruktierung der Streitkräfte und des Ministeriums macht detaillierte Pläne unmöglich.

Der Teil des Weißbuchs, der sich auf das Ausland bezieht, bestätigt, daß im letzten Jahr die sowjetische Panzerproduktion um die Hälfte reduziert wurde. Der Bau eines nukleargetriebenen Kreuzers wurde gestoppt und 400 Rüstungsbetriebe wurden auf zivile Produktion umgestellt.

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