piwik no script img

Großbauprojekt in StuttgartBahnhofshallenbad 21

Ein neues Gutachten des Bündnisses „Parkschützer“ warnt bei Stuttgart 21 vor erhöhter Überflutungsgefahr. Die Bahn widerspricht.

Einmal Schwimmen bitte? Das Bauprojekt Stuttgart 21 birgt offenbar Überflutungsgefahr Foto: dpa

Berlin taz | Stuttgart am frühen Morgen des 3. Oktober 2017: Die S21-Baustelle steht nach starken Regenfällen unter Wasser, die Aufräum- und Abpumparbeiten dauern Stunden. Gemäß einem Gutachten der Ingenieure Hans Heydemann und Christoph Engelhardt vom Bürger*innenbündnis „Park­schützer“ war dieser Vorfall nur ein Vorgeschmack. Gestern stellte das Bündnis seinen Bericht in Stuttgart vor.

Demnach wird der Bau des Tiefbahnhofs sämtliche großen Abwasserkanäle aus der Innenstadt Stuttgarts zerschneiden. Deshalb müssen diese unter dem Bahnhof neu gegraben werden. Das verringere laut Gutachten aber die bisherige Abflussleistung der gerade durchlaufenden Abwasserkanäle um ein Viertel. Die Folge: Bei Stark­regen erhöhe sich die Überflutungsgefahr erheblich.

Das würde durch den Wall über dem neuen Bahnhof noch verschlimmert: Der Überbau, als Überdachung der Tiefbahnsteighalle gedacht, würde ungewollt zum Staudamm. Denn er hielte den natürlichen Abfluss durch die Geländesenkung auf dem Gebiet des Bahnhofs auf.

Schon im Planfeststellungsverfahren stellte die Deutsche Bahn bei Starkregen ein hohes Flutungsrisiko für die Stuttgarter Innenstadt fest. Darum dürfte auch „keine künstliche Barriere errichtet werden“. Im Beschluss, der den Bahnhofsbau genehmigte, sah die Stadt aber letztlich keine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch eine plötzliche Überflutung des Hauptbahnhofs“.

Doch Stuttgart ist nachweislich anfällig für Starkregen und in der Folge auch Überflutungen. Die Niederschlagsmenge ist hier im Durchschnitt die höchste Deutschlands. Extremwetterereignisse werden durch den Klimawandel zudem weiter zunehmen.

Eine andere Gefahr: Steigt der Grundwasserstand über eine bestimmte Marke, wird die Tiefbahnsteighalle ebenfalls über die in den Trogwänden eingebauten Notflutöffnungen automatisch geflutet. Dabei könnte der Bahnverkehr über Tage zum Stillstand kommen.

Die Bahn weist indes darauf hin, dass die Gefahr der Überflutung bereits 2004 und später hinlänglich diskutiert wurde und keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse dazu ans Licht gekommen seien.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Es muss möglich sein.

    im Industrieland Deutschland

    auch Großprojekte zu realisieren!

    Sonst gehen wir alle ein.

    ...

  • Toll - das "Wassermanagement" war von Anfang an ein bedeutendes Thema. Stuttgart hat direkt neben dem Bahnhof das zweitgrößte Mineralwasser Vorkommen in Europa. Deshalb gibt es heute dort das Leuze Bad (warm).

    Der Talkessel war eine uralte natürliche Ansiedlung mit der Folge: ein Stuten Garten!

    Die "Chancen aus Stuttgart 21" wurden insbesondere beim Vermarkten und Bebauen der "freiwerdenden" 10 ha Gleisfläche gesehen. Die Stadt war aus diesem Grund auch regelmäßig in Cannes auf der internationalen Immobilien Messe MIPIM!

    Vom Hochwasser wurde dort nicht geredet?

    Laut Finanzierungsvertrag vom 2.4.2009 sollte das Projekt 4.526 Mrd Euro kosten. Das hat Günter Oettinger unterschrieben u.a. weil seine neue Freundin Friederike Beyer dort das Milaneo bauen wollte? Das MILANEO ist fertig und G. Oettinger in Brüssel (noch)?

    Man sollte tatsächlich die Chancen dieses "Projektes" nicht unterschätzen. Kein Fehler ist derart schlecht, dass man nicht daraus auch lernen kann. Auf der Baustelle wird gerade die 10.000 Jahre alte Besiedlungsgeschichte ausgegraben und gesichert.

    Ich freue mich über alle "Erfahrungen", die uns als Homo sapiens (wissend) weiter bringen. Diese Aufgabe sehe ich beim individuellen vernunftbegabten Menschen, der sich gegen Aufklärung aus der selbstverschuldeten Unwissenheit nicht länger sträubt.

  • Zukunft

     

    Wir sollten nicht nur mögliche Gefahren sehen,

    sondern auch die Chancen!

    Nur so bleibt Deutschland international wettbewerbsfähig.

    Verzagtheit hat noch nie die Zukunft gewonnen! Sie ist nämlich destruktiv.

    • @Hartz:

      Die Chancen bestehen darin...

      ...dass sich einige Immobilienhaie eine goldene Nase "verdienen"

      ...dass der Bahnverkehr in Stuttgart dank eines Infrastruktur-Rückbaus regelmäßig kollabiert

      ...dass Leute im neuen Schacht ersaufen

      Leider hat sich in Deutschland die gravierende Unsitte breit gemacht, zu glauben, dass jeder politische Schwachsinn, jede korrupte Handlung von der Realität irgendwie aufgefangen wird.

      Dass ein Land nicht wegen, sondern trotz seiner Regierung gedeiht.

      So wie Frau Merkel systematisch Europa an die Wand fährt und glaubt, das werde schon irgendwie gut gehen.

      • @Achtsamer:

        Faktenvergleich

         

        Schauen Sie bitte einfach auf Deutschlands Bilanz und vergleichen Sie diese mit anderen Staaten.

        Na...

        Da sprechen die Fakten aber für Deutschland!

        • @Hartz:

          Eben! Deutschland benimmt sich wie der Kukuck im europäischen Nest!

          (Falls Ihnen das sehr drastische Beispiel aus der Natur geläufig ist - sonst empfehle ich Befassung mit diesem Phänomen aus der Ornithologie).

    • @Hartz:

      ?? Zukunft ??

       

      Ein Bahnhof mit einer geringeren Kapazität soll zukunftsfähig sein? Plus einer extrem höheren Störanfälligkeit als der heutige Bahnhof?

       

      Mögliche Überschwemmungen sind ja nur ein Aspekt unter Vielen - z.B. ist die Evakuierung bei einem Brand im Tunnel immer noch ungeklärt - BER läßt grüssen - Stuttgart hat gute Chancen auf den ersten Platz in der Hitparade idiotischer Großprojekte.

       

      Hier etwas Material zum Nachdenken:

      //wikireal.org/wiki/Stuttgart_21/Leistung