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Größte VerfassungsbeschwerdeVorratsdaten beschäftigen Karlsruhe

Das Verfassungsgericht verhandelt am Dienstag über Vorratsdatenspeicherung. Geklärt wird, ob es erlaubt ist, zu speichern, wer mit wem wann telefoniert hat.

Ein Fall für Verfassungsrichter: Dürfen Telefondaten weiterhin gespeichert werden? Bild: dpa

FREIBURG taz | Nun ist es ihr wohl doch zu schizophren geworden. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wird am Dienstag - entgegen ihrer bisherigen Ankündigung - nicht zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe kommen. Die Bundesjustizministerin wird dort also weder ihre Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung vertreten noch wird sie als zuständiges Regierungsmitglied die Vorratsdatenspeicherung verteidigen.

Bei der Verhandlung am Dienstag geht es um eines der umstrittensten Sicherheitsgesetze der vergangenen Jahre. Seit Anfang 2008 wird sechs Monate lang gespeichert, wer mit wem wie lange telefoniert hat. Ebenso wird festgehalten, wo sich jemand aufgehalten hat, wenn er mit seinem Handy telefoniert hat.

Seit Anfang dieses Jahres wird außerdem registriert, wer sich wann ins Internet eingeloggt hat und wer wem gemailt hat. Die Daten werden bei den Telefon- und Internetfirmen gespeichert. Die Polizei kann nur im Verdachtsfall darauf zugreifen. Inhalte werden nicht gespeichert.

Gegen das Gesetz hatten Bürgerrechtler und Datenschützer mobilisiert, die sich im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) zusammengeschlossen hatten. Am Ende mobilisierten sie für ihre Klage mehr als 34.000 Bürgerinnen und Bürger. Das ist die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten.

Deren Verfahren wird am morgigen Dienstag aber gar nicht verhandelt. "Wo hätten wir die denn alle hinsetzen sollen?", sagte eine Gerichtssprecherin der taz.

Verhandelt wird nur eine inhaltsgleiche Beschwerde, die schon einige Wochen zuvor von acht Musterklägern eingereicht worden war. Darunter waren der Bielefelder Rechtsprofessor Christoph Gusy und der Bremer Publizist Rolf Gössner sowie ein Journalist, ein Anwalt und ein Steuerberater. Die Kläger sollen die Gefährdung besonders sensibler Berufe verdeutlichen.

Eine weitere Klage stammt von 14 Politikern der FDP, für die nach dem Rückzieher von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wohl zumindest Gerhart Baum und Burkhard Hirsch nach Karlsruhe kommen wollen.

Und was kaum jemand mitbekommen hat: Auch 43 Grünen-Politiker um den rechtspolitischen Sprecher Jerzy Montag haben Verfassungsbeschwerde eingelegt. So ist am Dienstag auch die parlamentarische Opposition vertreten.

Im Kern geht es um die Frage, ob die Vorratsdatenspeicherung mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar ist. Die Kläger halten das entsprechende Gesetz für unverhältnismäßig. Die Speicherung der Telekomverkehrsdaten ohne konkreten Anlass schüchtere die Bevölkerung ein und halte sie davon ab, unbefangen zu telefonieren oder das Internet zu nutzen. Außerdem könnten die Daten während der sechsmonatigen Speicherung bei den Providern missbraucht werden.

Einen ersten Erfolg erzielten die Kläger im März des vergangenen Jahres. In einer Eilentscheidung beschränkte das Bundesverfassungsgericht den Zugriff auf die zwangsgespeicherten Daten. Nur bei erheblichen Straftaten darf die Polizei derzeit an die Daten ran, also nicht beispielsweise bei Ermittlungen wegen illegaler Musik-Downloads.

Die Kläger waren damit aber nicht zufrieden, denn die Speicherung ging derweil ungebremst weiter. Und auch im jetzigen Prozess kann das Bundesverfassungsgericht hier eigentlich gar nicht eingreifen. Da die Speicherpflicht auf einer EU-Richtlinie beruht, ist die Grundrechtskontrolle Sache des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg. Allerdings weiß man beim Bundesverfassungsgericht nie, ob es seine Kompetenzen nicht einfach ausweitet.

CHRISTIAN RATH

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18 Kommentare

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  • T
    Twinni

    @Wumme: Menschen wie sie sind der Regierung am liebsten. Sie glauben alles was ihnen gesagt wird und glauben zusätzlich noch an das Gute im Menschen. Das diese Daten missbräuchlich genutzt werden könnten interessiert sie erst wenn es sie selber trifft. Interessiert den Normalbürger ja auch nicht wenn bei ihm protokoliert wird wann er wo mit wem telefoniert hat. Erst wenn eine Gattin ihren Ehemann durch solche Daten überprüfen lässt ob er eine Geliebte hat hört der Spass natürlich auf! :D Und wenn sie glauben NIEMAND kähme irgendwie an diese Daten ran: Die letzten Datenschutzskandale haben deutlich gezeigt das es überall dort wo gespeichert wird einen Hacken gibt. Nähmlich den Menschen vor dem Bildschirm der sich evt. ein paar Euro dazuverdienen möchte indem er die Daten verkauft... Nur was NICHT gespeichert wurde ist sicher.

    Ich finde es richtig das das Bundesverfassungsgericht da ein genaues Auge drauf wirft... nicht alles was die EU uns beschehrt ist gut - eher das Gegenteil.

  • M
    marleen

    @hans: ich gebe dir vollkommen recht,auch mir ist das wort schizophren in diesem artikel aufgefallen u ich muss auch darauf hinweissen das die krankheit schizophrenie nichst mit einer gespaltenen persönlichkeit zu tun hat,auch wenn das immer wieder angenommen wird,sogar von ärzten u von den "normalen" leuten sowieso...grade auch hoch gebildete menschen denken was schizophrenie betrifft immer wieder falsch,weil schizophrenie glaub ich lateinisch ist u irgendwas mit spaltung bedeutet,schon krass das die medien usw das immer weider falsch darstellen,also schizohprenie ist ein eigenstädiges krankheitsbild u ist eine unterform von psychose,nei schizophreinie kann der patient an einem wahn leiden oder er hört stimmen oder hat hallunzinationen,können aba geruchs oder sinnes wahrnemungen sein die nicht ad sind,allerdings kann schizophrenie oder auch psychose auch ganz andere symptome haben wie zb depressionen,ängste,rückzug oder das man in der vergangenheit lebt,oder auch eine denkstörung oder ich störung usw es ist sehr vielfältig,wenn man 2 verschiedene (oder noch mehr) persönlichkeiten hat,die sogenannte gespaltene persönlichkeit dann ist man multiple u nicht schizophren,also dann hat man eine multiple persönlichkeitsstörung!schlimm das das immer wieder falsch dargestellt wird,auch schlimm für die betroffenen!ich arbeite in dem bereich u es gibt sogar fachärzte die das nicht wissen!

  • J
    jakob

    An Amos

     

    Ich wird mal sagen, der Unterschied ist in erster Linie, dass man in der DDR dem Staat und der SED ausgeliefert war, in dem jetzigen Deutschland, kann ich eine Partei wählen, wie z.B. die Linke, die das böse Kapital abschaffen wird, ich kann aber auch Deutschland verlassen und in einem der sozialistischen Paradise wie Kuba, Venezuela oder Weissrussland leben und noch eins, ich kann darüber bei der taz diskutieren, ohne Angst zu haben in einem Stasi Knast zu landen.

  • W
    Wumme

    Karlsruhe beschäftigt sich mal wieder mit Sachen, die dem normalen Bürger völlig am A....vorbei gehen und nur ein Thema für gestörte Neurotiker sind.

  • A
    Amos

    Bei der Stasi hat man die Menschen überwacht, hier

    überwacht man deren Telefongespräche. Die DDR wollte

    ihren Staat sichern, der Westen will das Kapital sichern. Was ist verwerflicher?

  • S
    Simi

    ... also, wer in Russland oder China nichts gegen das Regime hat, hat auch wirklich nichts zu verbergen..

     

    Gibt es eigentlich darüber eine Statistik, welche Verbrechen damit aufgeklärt /verfolgt wurden?

     

    dieses Gesetz ist jedenfalls noch gefährlicher als die InternetZensur. Ich erwarte, dass unsere 8 Jungs in Karlsruhe mal wieder den seidenen Faden bilden, an dem unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung hängt...

  • W
    WilderWusel

    Mal wieder ein typisches Ablenkungsmanöver der Mächtigen.Somit ersetzt ein Handy die elektronische Fussfessel,wer wem wann mailt wird registriert usw.Die sollten lieber mal sich selbst überwachen.Das Wort Datenschutz sollte man langsam mal streichen,hält sich ja doch niemand daran.Lückenlose Überwachung......schöne neue Welt.Die 10 Minuten morgens,in denen ich weder maile,noch telefoniere,können sie bei mir unter der Rubrik:Kacken! aufschreiben.

  • HG
    Hilly Gosch

    Am Besten, man telefoniert Nix sagend, mailt Nixsagend oder noch besser, man hat weder ein Handy noch Internetanschluß????? Toll.

     

    "Momo" nannte es den Klau der grauen Männer.

    Und dann?

    Farben rausholen!

  • F
    Freya

    Ob diese Art der Speicherung von Telekommunikationsdaten mehr Sicherheit bringt, ist fraglich. Denn technische Schlupflöcher werden sich finden lassen.

     

    Nicht vergessen werde sollte, wer die primäre Schuld an der Degeneration einer Kultur der Freiheit und des Vertrauens zu einem Big-Brother-Staat hat: Die Islamacho-Bombenleger, die gezielt unbeteiligte Zivilisten ermorden, im Nahen Osten noch weit mehr als in Europa und bei 9/11.

  • RP
    rufus prerus

    Warum sagt der westen er habe den osten geöffnet. ist es nicht eher umgekehrt? wurde damals noch von oben über freunde und nachbarn das leben der menschen bespitzelt, so bedient man sich heute von oben modernster technik.ach ich vergass, wir sind ja ein sooooo freies land - sind aber besser kontrolliert als jedes andere land der erde. wenn es so weiter geht machen wir der vergangenheit, die wir eigentlich vergessen wollen, wieder alle ehre.

  • M
    Marle

    Unser Verfassungsgericht sollte sich als gute Beispiele die entsprechenden Entscheidungen in Rumänien und Bulgarien nehmen, wo die Verfassungsgerichte die EU-Richtlinie und die nationalen Umsetzungen für jeweils verfassungswidrig befunden haben!

     

    Leider wird unserer Verfassungsgericht am Ende wieder mal eine schwammige, weil nicht klar eindeutige, Entscheidung treffen. Diese werden die EU und die agierenden Politiker dann nach Belieben für ihre Zwecke ausschmücken. Fakt ist, es wird sich nicht wirklich grundlegend Positives in dieser Sache tun.

  • WW
    Weirdo Wisp

    Man bedenke, dass die Verfassungsgerichte in Bulgarien und Rumänien deren Vorratsdatenspeicherungen kürzlich gekippt haben. Das macht etwas Mut.

  • A
    Amos

    Den meisten Dreck am Stecken hat doch wohl die Politik und wer überwacht die ? Die legen sich für Millionen abhörsichere Handys zu. Und das Volk soll

    kontrolliert werden-, das verstößt doch gegen das

    Gleichheitsprinzip.

  • C
    Chris

    In politikwissenschaftlicher Hinsicht befinden wir uns längst in einer Diktatur.

  • H
    hans

    Schizophrenie hat nichts mit einer irgendwie "gespaltenen" Persönlichkiet zu tun. Das wird dauernd falsch verwendet! Aber hier ist es in seiner falschen Anwendung eklatant, da der Artikel darauf aufbaut!

    Nochmal: Schizophrene sind keine Personen, die zwischen 2 Zuständen hin- und/oder heroszillieren! Schizophrenie ist ein eigenständiges Krankheitsbild mit völlig anderen Symptomen!

    Hinter die Ohren!

  • S
    Sub

    Ich hoffe das BVG erklärt das Gesetzt für verfassungswidrig, denn genau das ist es. Die sollen sich vom Europäischen Gerichtshof in der Sache gar nichts sagen lassen und denen ein deutliches Zeichen setzten, dass es so was in unserem Land nicht geben darf. Dann werden andere Länder hoffentlich folgen und die bisherige Umsetzung der EU Richtlinie ebenfalls rückgängig machen. Außerdem ist es ja auch kein EU Gesetz und an EU Richtlinien müssen sich die Länder noch gar nicht halten.

  • T
    Torsti

    @symphatisant:

    Naja, zu Google habe ich eine Alternative (http://www.ixquick.com/deu/), zu meiner Regierung leider nicht.

  • S
    symphatisant

    Wurde das nicht vor Jahren schon vorgeschlagen? Google speichert alle Suchanfragen, die Internet-Provider und Telefonkonzerne speichernd, das BKA speichert, die Ärzte, Anwälte, Journalisten und Detekteien speichern Daten von Privatpersonen. Da könnte man doch auch jeden einzelnen Bürger verpflichten, sein persönliches Bewegungsprofil permanent Tag für Tag aufzuzeichnen und es auf Verlangen der zuständigen Überwachungsbehörde (bei Verdacht) zur amtlichen Auswertung bereit zu halten. Das Ende beinahe jeglicher Kriminalität wäre nahe.

     

    Ach so, das ist unpopulär? Sie haben also was zu verbergen??