piwik no script img

Griechischer Unternehmer über die Krise„Den Wolf zum Schafehüten schicken“

Der zypriotische Unternehmer Michaelides spricht über die griechische Krise, die Zukunft für den Handel und die Überlegenheit der deutschen Fußballnationalmannschaft.

Niemand weiß, wie das griechische Schuldendrama ausgehen wird. Bild: dapd
Interview von Marius Münstermann

taz: Was hat sich für Unternehmer seit der Schuldenkrise verändert?

Sophoclis Michaelides: Die Probleme fingen mit dem enormen Vertrauensverlust an, der unsere Produzenten, die allesamt in Kooperativen und Genossenschaften organisiert sind, traf. Die Qualität der Ware war die gleiche, aber plötzlich hieß es, alle Griechen sind faul und korrupt. Dieses Mistrauen, das vom unverschämten Auftreten der EU und den vielen Falschmeldungen und Vereinfachungen in den Medien geschürt wurde, hat das Investitionsklima in Griechenland langfristig beschädigt.

Was heißt das konkret für Ihr Geschäft?

Allein im letzten Jahr ist unser Umsatz um rund 20 Prozent zurückgegangen. Die allgemeine Skepsis betrifft auch mich. Bei einer Bank, die ein spezielles Kreditangebot für Unternehmen mit Sitz in Deutschland und starken Auslandsgeschäften anbietet, hieß es bei der Ablehung meines Antrags bloß: „Hol dir dein Geld doch in Griechenland“. Da mittlerweile vor allem kleine Betriebe kaum noch Kredite bewilligt bekommen, sind viele unserer Partner gezwungen, für alles komplett im Voraus zu zahlen.

Das erhöht natürlich auch den Druck auf die Beschäftigten. Viele Arbeitgeber können sich nicht mehr so viele helfende Hände leisten. Die Beschäftigten müssen Lohnkürzungen hinnehmen und in manchen Fällen bleibt sogar ein Teil der Ernte auf dem Feld oder am Baum.

privat
Im Interview: SOPHOCLIS MICHAELIDES

53, kommt ursprünglich aus dem griechischen Teil Zyperns und lebt seit 30 Jahren in Deutschland. Seit 2001 betreibt er in Tübingen einen Großhandel für Biowaren. Das Obst und Gemüse importiert Michaelides fast ausschließlich von Kooperativen in Griechenland.

Was erhoffen Sie sich also von einer neuen Regierung?

Ich hatte gehofft, die Menschen in Griechenland würden den Parteien, die über 30 Jahre hinweg Korruption und Kumpanei zum System gemacht haben, eine eindeutige Absage erteilen. Eine Koaliton aus Neo Dimokratia und Pasok bedeutet, den Wolf zum Schafehüten zu schicken. Es war absehbar, dass die unsolidarische Gemeinschaft namens EU unabhängig vom Wahlausgang zu Kompromissen im Sparprogramm bereit sein würde.

Das werden die Wahlsieger sich jetzt natürlich als ersten Erfolg zuschreiben. Aber außer der Einsicht, dass das bisherige Kaputtsparen keine Lösung sein kann, erwarte ich keine wirklichen Kursänderungen. Ich bin zwar kein Freund der Syriza, aber ein deutliches Signal für einen Neuanfang hätte ich mir vor der Wahl doch gewünscht.

Wäre ein Sieg für Griechenland im EM-Spiel am Freitag nicht eine hervorragende Revange?

Normalerweise halte ich immer zur deutschen Mannschaft, aber wenn es gegen Griechenland geht bin ich doch hin- und hergerissen. So sehr mich ein Sieg für Griechenland freuen würde – und man sollte den Sport nicht politisieren – muss man den Ball flach halten und die Überlegenheit der Deutschen anerkennen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Z
    zyniker

    Der werte Herr mag zwar aus Zypern kommen, wenn er aber seit dreißig jahren in Deutschland lebt und seit 11 Jahren ein Unternehmen in deutschland führt, dann ist er für mich ein DEUTSCHER Unternehmer und kein zypriotischer oder gar griechischer Unternehmer.

    Mitr wem er sich darüber hinaus verbunden fühlt und mit wem er Handel betreibt ist hierbei nebensächlich.

  • R
    revange

    aua! lasst doch den praktikanten wenigstens zeit für die verwendung der rechtschreibprüfung

  • RE
    Rudolf Eglhofer

    Geographie, lieber Markus, ist wohl nicht so Deine Sache.

    Sonst wüsstest Du dass der "GRIECHISCHER UNTERNEHMER" Bürger Zyperns ist.

    Das mag Dir und der Türkei zwar nicht einleuchten, Zypern ist jedoch noch immer ein zum Teil besetzter, souveräner Staat.

  • DH
    Der Heinz

    Ich verstehe die Griechen, wenn ihnen der Duktus, mit dem Deutschland und Frankreich diesem Land gegenübertreten, nicht gefällt. Mir wird das auch langsam unheimlich und das ist nicht das, was ich mit einem Europa der Einheit verbinde. Es scheint fast, als sei Brüssel nur Makulatur und hat sich der Diktatur der wirtschaftlich starken Länder unterworfen. Ich dachte immer, die europäische Politik sei eine Sache der Zusammenarbeit und nicht auf dem Handeln zweier Mächte hinter verschlossenen Türen basiert.

    Europäische Politik kann und darf nicht im Bundestag gemacht werden! Das ist gefährlich für das Klima im Staatenbund.

  • ND
    nein danke!

    (Zitat aus der Veröffentlichung:)

    "... die Überlegenheit der Deutschen anerkennen ..."

    Eben NICHT! Männer in deutschen Stiefeln haben schon einmal (im zweiten Weltkrieg) Griechenland zerstört und GriechInnen auf dem Gewissen!

    Solidarität mit den griechischen Kooperativisten.

    Alex